Pressemitteilung

I. Leitsätze:

  1. Bei berühmten Unternehmen, geht das Recht am Unternehmensnamen bei Gleichnamigkeit dem Namensrecht einer Privatperson vor. Innerhalb des Spannungsverhältnisses beider aus § 12 BGB entspringenden Ansprüche hat ausnahmsweise eine Interessengewichtung zu Gunsten des berühmten Unternehmens zu erfolgen.
  2. Aus diesem Anspruch kann ein berühmtes Unternehmen nicht nur Unterlassung, sondern darüber hinaus auch den Verzicht auf den Domain- Namen verlangen.
  3. Eine solche ausnahmsweise Interessenabwägung gebietet jedenfalls bei nur bekannteren Namensträgern keine Abweichung vom Gerechtigkeitsprinzip der zeitlichen Priorität der Domain-Registrierung.

II. Der Fall shell.de

In einer weiteren Grundsatzentscheidung zum Domain-Recht hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 22. November 2001 (Az. I ZR 138/99) die wichtige Frage des Verhältnisses von namensgleichen Unternehmen und privaten Namensträgern entschieden.

In der Sache shell.de ging es um Ansprüche der Deutschen Shell GmbH gegen die Privatperson Andreas Shell, auf dessen Namen die Domain eingetragen war.

Da einer Anwendung des Markenrechts wegen der privaten Nutzung schon dem Grunde nach der Boden entzogen war, stellte sich die Rechtsfrage des Verhältnisses der jeweiligen Namensrechte aus § 12 BGB. Sowohl die Deutsche Shell GmbH als auch die Privatperson kann aus der gleichen Rechtsvorschrift nicht nur die Nutzung ihres Namens, sondern grundsätzlich auch die Verwendung des Namen als Domain beanspruchen.

Wie schon in der Grundsatzentscheidung zu beschreibenden Gattungsdomains erläuterte das Gericht über den konkreten Einzelfall hinaus, dass bei einem Streit von Gleichnamigen grundsätzlich auch der Bekanntere sich dem Gerechtigkeitsprinzip der zeitlichen Priorität zu unterwerfen habe. Kämen mehrere Personen als berechtigte Namensträger für einen Domain-Namen in Betracht, so seien deren Interessen gegeneinander abzuwägen. Insbesondere sei ein Vorrang geschäftlicher vor privaten Interessen nicht anzuerkennen.

Im zu entscheidenden Fall führe dieser Abwägungsvorgang aufgrund der derart unterschiedlichen Gewichtung der Interessen der Parteien dazu, dass es ausnahmsweise nicht bei der Anwendung der Prioritätsregel bleiben könne. Die zwischen Gleichnamigen geschuldete Rücksichtnahme gebiete es, dass der Beklagte für seinen Domain-Namen einen Zusatz wähle, um zu vermeiden, dass eine Vielzahl von Kunden, die sich für das Angebot des Unternehmens Shell interessierten, seine Homepage aufriefen.

Aus dieser Interessengewichtung folge zum einen ein Unterlassungsanspruch, zum anderen der Anspruch der Klägerin auf Verzicht des Beklagten bezüglich der Adresse Shell.de.
Ohne erhebliche Bedeutung ist insoweit die Feststellung, wonach ein Anspruch auf Übertragung des Domain-Namens abzulehnen sei: Bei einem ordnungsgemäßem Vorgehen wird auf Seiten des Anspruchsberechtigten ein sogenannter „DISPUTE-Eintrag“ beim der DENIC e.G. beantragt, der zum einen eine weitere Übertragung des Domainnamens auf Dritte verhindert, zum anderen bei Verzicht auf den Domain-Namen dazu führt, dass derjenige, zu dessen Gunsten der Eintrag gesetzt wurde, automatisch Inhaber der Domain wird.

III. Rechtliche Konsequenzen der Entscheidung

Konsequenz dieser Entscheidung sind die drei sich aus den Leitsätzen ergebenden Feststellungen, wonach auch unabhängig von der Anwendung des Markenrechts das Namensrecht berühmter Unternehmenskennzeichen bei Gleichnamigkeit dem einer Privatperson vorgehen und das Unternehmen nicht nur Unterlassung, sondern darüber hinaus auch den Verzicht auf den Domain-Namen verlangen kann.

Bedeutsam und weitreichend ist allerdings gleichzeitig die Feststellung, dass eine ausnahmsweise gebotene Interessenabwägung zugunsten berühmter Unternehmen bereits bei nur bekannteren Namensträgern keine Abweichung (mehr) vom Gerechtigkeitsprinzip der Priorität zulässt.
Für kleine und mittelständische Unternehmen dürfte dieses Urteil dazu führen, dass diese im Ergebnis gegenüber Privatpersonen kein besseres Recht anführen können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf Grund markenrechtlicher Ansprüche aus eingetragenen Marken oder Unternehmenskennzeichen ein besseres Recht hergeleiteten werden kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch neben der Priorität des Kennzeichens ein Handeln im geschäftlichen Verkehr auf Seiten des Anspruchsgegners sowie Branchen- bzw. Waren- oder Dienstleistungsnähe. An Vorstehendem fehlte es aber gerade in der Shell-Entscheidung, infolge dessen ausschließlich die namensrechtliche Wertung so maßgeblich wurde.

Schließlich führt die Entscheidung nach diesseitiger Einschätzung auch für Städtenamen-Domains dazu, dass bekannte Städte ein das Namensrecht einer Privatperson übersteigendes Interesse geltend machen können, indes gegenüber Städten untergeordneter Bekanntheit ein gleichnamiger Namensträger den Grundsatz „wer zuerst kommt, mal zuerst“ entgegenhalten kann

Links zum Thema:

Bundesgerichtshof: Mitteilung der Pressestelle
Spiegel – Netzwelt
Rauschhofer Online: Domain-Recht