Pressemitteilung der Kanzlei Rauschhofer Rechtsanwälte, Frankfurt a.M./Wiesbaden 20. März 2011
Die 3. Zivilkammer des Landgericht Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 08.03.2012 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Untersagung der Verwendung einer Autocomplete-Funktion bestätigt, welche Vorschlagslisten für Fachanwaltstitel anbietet, die nicht existieren (Fantasie-Fachanwaltstitel), (LG Frankfurt a.M., Urteil v. 08.03.2012, Az.: 2-03 O 437/11).
Die Besonderheit und die Neuerung in dem bezeichneten Verfahren liegt darin, dass dies – soweit ersichtlich – das erste Urteil eines deutschen Gerichtes zur Untersagung einer sogenannten „Autocomplete-Funktion“ bzw. „Autosuggest-Funktion“ darstellt.
Die Betreiberin eines Anwaltsportals verwendete eine solche Funktionalität in der Suchfunktion auf ihrer Webseite, was zu einer nahezu unerschöpflichen Zahl von nichtexistenten Fachanwaltstiteln führte. Im Suchfeld erschienen während der Eingabe sukzessive („Live“) durch eine Dropdown-Liste vom System automatisiert vorgegebene Vorschläge für Suchbegriffe, die der Nutzer verwenden konnte.
Die Verfügungsklägerin sah hierin eine Wettbewerbsverletzung der Mitbewerberin, wenn hierbei Fachanwaltstitel verwendet werden, welche so nach der Fachanwaltsordnung (FAO) in Verbindung mit der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) überhaupt nicht existieren.
Bereits im letzten Jahr hatte das angerufene Gericht der Verfügungsbeklagten dieses Verfahrens in einem Beschluss (LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 06.10.2011, Az.: 2-03 O 437/11) unter Ziffer 1 die Werbung mit Fantasie-Fachanwaltstiteln, beispielsweise den „Fachanwalt für Internetrecht“ untersagt.
Weiterhin untersagte das Gericht damals unter Ziffer 2 auch die Verwendung der Autocomplete-Funktion, welche dem Nutzer automatisiert eine Vielzahl von Fachanwaltstiteln vorschlägt, die nicht vergeben werden können, beispielsweise einen „Fachanwalt für Vertragsangelegenheiten“ oder „Fachanwalt für Markenrecht“. (Siehe dazu LG Frankfurt a.M. Beschl. v. 06.10.2011, Az.: 2-03 O 437/11 (Volltext), Pressemitteilung der Kanzlei Rauschhofer Rechtsanwälte v. 13.10.2011 und Kommentar zum Beschluss in MMR-Aktuell 2011, 324078.)
Die Verfügungsbeklagte legte zunächst gegen beide Ziffern des Beschlusses Widerspruch ein. Im Laufe des Verfahrens nahm sie hernach jedoch den Widerspruch bezüglich Ziffer 1 zurück und erkannte diese als endgültige Regelung an, wodurch lediglich die Ziffer 2, somit die Autocomplete-Funktion noch streitgegenständlich blieb.
Das Gericht bestätigte in dem nunmehr erlassenen Urteil den Verbotstenor zu Ziffer 2, der die verwendete automatisierte Vorschlagsliste untersagte, und sah hierin einen Verstoß gegen §§ 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 1 FAO und § 43c BRAO bzw. § 5 UWG.
Dies wurde vom Gericht im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
Der Nutzer würde, so das Gericht, über die Existenz nichtexistenter Fachanwaltstitel getäuscht und darüber, dass ein empfohlener Rechtsanwalt über diesen Titel auch verfügt. Das auf diese Art und Weise vorgespiegelte nahezu unerschöpfliche Repertoire an Fachanwälten suggeriert eine unzutreffende Alleinstellung.
Auch erschwert dies dem Nutzer die Unterscheidung zwischen existenten und nichtexistenten Fachanwaltstiteln. Der Verkehr, so das Gericht weiter, ist vor einer solchen Gefahr der Verwirrung besonders zu schützen, da die Verleihung von Fachanwaltstiteln besondere Kenntnisse und Erfahrungen voraussetzt.
Der Anbieter einer solchen speziellen Suchmaschine erzeuge gerade eine höhere Erwartungshaltung bei dem Nutzer dahingehend, dass lediglich existierende Fachanwaltstitel vorgeschlagen werden. Die Vorschläge erschienen im Sinne eines Stichwortverzeichnisses.
„Die bestätigende Entscheidung des Gerichts ist zu begrüßen. Selbst bei Nutzung modernster technischer Möglichkeiten, wie etwa automatisierten Vorschlagslisten (Autocomplete-Funktion), darf dies nicht dazu führen, dass einem Nutzer/Verbraucher nichtexistente (Fachanwalts-)Titel vorgegaukelt werden.
Die „Positivliste“ des § 1 Fachanwaltsordnung (FAO) enthält lediglich 20 Fachanwaltstitel und ist insoweit abschließend. Ein Wettbewerber darf sich nicht durch „händisches“ oder automatisiertes Erfinden weiterer Titel einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Durch Einbindung einer unbegrenzten Autocomplete-Funktion werden dem Verbraucher die Titel gewissermaßen „in den Mund“ oder besser gesagt „in die Tasten“ gelegt. Zumindest besteht die Gefahr, dass er sich von den Fantasie-Titeln blenden lässt.
Diese Entscheidung hat Bedeutung auch für andere Portale. Wie das Gericht nämlich anerkannte, kann ein Betreiber auch mit einer automatisiert erzeugten Empfehlung (Autocomplete) rechtlich relevante Erwartungen beim Nutzer wecken.“ erläutert Rechtsanwalt Dr. Hajo Rauschhofer von der Kanzlei Rauschhofer Rechtsanwälte, Prozessvertreter der Verfügungsklägerin.
Ergänzend darf auf ebenfalls auf den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichtes Frankfurt a.M. vom 26.08.2011 (Az.: 2-06 O 427/11) hingewiesen werden, in welchem das Gericht bereits in einem anderen Verfahren schon einmal die Verwendung von nicht existenten Fachanwaltstiteln sowie eine Werbung hiermit untersagte. Aktuell werden lediglich 20 Fachanwaltstitel vergeben.
» Urteil des LG Frankfurt a.M. (vom 08.03.2012, Az.: 2-03 O 437/11) im Volltext (PDF)
» Beschluss des LG Frankfurt a.M. (vom 06.10.2011, Az.: 2-03 O 437/11) im Volltext (PDF)
» Beschluss des LG Frankfurt a.M. (vom 26.08.2011, Az.,: 2-06 O 427/11) im Volltext (PDF)
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