Vorläufiges Aufatmen für Internetprovider – Speicherpflicht wird vorerst ausgesetzt
Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW in Münster, gab die Bundesnetzagentur gestern bekannt, dass die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung für Telefon- und Internet-Anbieter bis zur endgültigen Entscheidung vorerst ausgesetzt wird. Damit reagiert die Behörde auf einen Gerichtsbeschluss, der sich allerdings nur auf einen einzelnen Provider bezog.
Der Münchner Internetprovider SpaceNet hatte vor dem Gericht in Münster gegen die Speicherpflicht geklagt und beantragt, bis zum endgültigen Urteil nicht speichern zu müssen. Der entsprechende Passus im Telekommunikationsgesetz (TKG) verstoße gegen europäisches Datenschutzrecht. In seiner Entscheidung hat das OVG der pauschalen Vorratsdatenspeicherung nun eine Absage erteilt und dazu ausgeführt, dass der betroffene Personenkreis beschränkt sein müsse, sodass ein Zusammenhang mit der Verfolgung schwerer Straftaten beziehungsweise der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit besteht. Zudem sei die Vorratsdatenspeicherung europarechtswidrig, weil sie den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs aus einem Urteil im Dezember nicht entspreche.
Bundesnetzagentur setztz Vorratsdatenspeicherung aus
Nun erfolgt auch der Rückzieher der Bundesnetzagentur: Aufgrund der Entscheidung des OVG NRW und ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Begründung wird die Bundesnetzagentur bis zum noch ausstehenden Urteil im Hauptsacheverfahren die Speicherpflicht gegenüber Providern nicht durchsetzen.
„Die Bundesnetzagentur wird von Anordnungen und sonstigen Maßnahmen zur Durchsetzung der in § 113b TKG geregelten Speicherverpflichtungen bis auf Weiteres absehen„, heißt es in der Mitteilung der Bundesnetzagentur. Die Bundesnetzagentur hätte sonst Bußgelder gegen diejenigen Unternehmen verhängen können, die der Speicherpflicht nicht nachkommen.
Seit Dezember 2015 gilt in Deutschland die Speicherpflicht von Nutzerdaten. Die Übergangsfrist läuft am 1. Juli 2017 ab. Ab dann sind Telefon- und Internet-Anbieter eigentlich verpflichtet, gesammelte Daten bei Bedarf für die Strafverfolgung an Behörden zur Verfügung zu stellen Das bedeutet, sie müssen sämtliche Internet- und Telefon-Verbindungen ihrer Kunden für zehn Wochen, sowie Standortdaten aus dem Mobilfunknetz für vier Wochen speichern und diese auf richterliche Anordnung den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen.
Vorratsdatenspeicherung und Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
Von den einen als notwendiges und unerlässliches Instrument im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen begrüßt, sehen Kritiker darin einen grundrechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre, vor allem deshalb, weil die Daten von allen Bürgern anlasslos gespeichert werden und diese somit unter Generalverdacht gestellt werden.
Die Entscheidung des OVG Münster ist konsequent und richtig, da die Übereinstimmung der Vorratsdatenspeicherung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach wie vor zweifelhaft ist. Ob die Speicherpflicht damit jedoch endgültig gestoppt wird, bleibt abzuwarten und hängt von den endgültigen Urteilen ab.
Das Hauptsacheverfahren von Spacenet wird nun vom Kölner Verwaltungsgericht entschieden werden. Hier sind in Sachen Vorratsdatenspeicherung noch weitere Klagen anhängig, so klagt u.a. auch die Telekom im Eilverfahren gegen die Speicherpflicht, um bei WLANs und im Mobilfunknetz keine IP-Adressen speichern zu müssen.
Klagen bei Bundesverfassungsgericht anhängig
Sollte – im Fall von SpaceNet – eine Berufung zugelassen werden, geht der Weg durch die Instanzen möglicherweise weiter und gegebenenfalls bis vor das Bundesverwaltungsgericht. Parallel liegen auch beim Bundesverfassungsgericht derzeit bereits mehrere Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung vor, deren Entscheidungen aber noch ausstehen.
Endgültige Klarheit, ob das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt wird, kann jedenfalls nur das Bundesverfassungsgericht bringen.
Rauschhofer Social