Artikel erschienen in der Computerwoche Nr. 25/1999, S. 77:
Electronic Commerce, Online-Marketing und Web-Shopping sind in aller Munde, zumindest der Online-Gemeinde.
Die für Werbung Verantwortlichen fragen sich dabei, wie möglichst viele Nutzer einfach und kostengünstig auf das Web-Shopping-Angebot ihres Unternehmens aufmerksam gemacht werden können.
Auf der Hand liegt hier naturgemäß die Versendung von Werbe-E-Mails, die Vorteile schneller Verbreitung, breiter Streuung und niedriger Kosten in sich vereinen. E-Mail-Werbung dürfte damit unter diesen Gesichtspunkten als Traum jedes Werbers bezeichnet werden, wenn nicht inzwischen die Rechtsprechung den Riegel vor ein solches sogenanntes „Spamming“ geschoben hätte.
Nach den bisher zu dieser Thematik ergangenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin (Az.: 16 O 320/98 und 16 O 201/98), des Landgerichts Traunstein (Az.: 2 HKO 3755/97) sowie des Amtsgerichts Brakel (Az.: 2 C 748/97) verstößt zusammengefaßt das unaufgeforderte Übersenden von Werbe-E-Mails zum einen gegen Wettbewerbsrecht, zum anderen kann der Empfänger den Versender auf Unterlassung in Anspruch nehmen.
Begründet wird dies im wesentlichen damit, daß die Gefahr von Werbe-E-Mails gerade darin bestünde, daß eine nicht kontrollierte Anzahl von Personen E-Mails an eine unüberschaubare Menge von Empfängern sendet, was erst im Zusammenwirken zu den Beeinträchtigungen der Empfänger führt. Hierbei müsse jeder einzelne Mitverursacher für die Gesamtwirkung verantwortlich gemacht werden, da ansonsten keine Handhabe gegen diese Art der Belästigung bestünde.
Die vorgenannte Rechtsprechung knüpft damit nahtlos an die Entscheidung des BGH zur BTX-Werbung (BGH GRUR 88, 814) an der judizierte, daß eine Werbeart schon dann als unlauter anzusehen sei, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trägt und damit erst zu einer untragbaren Belästigung und zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten führt.
Der Traum des Werbers von einer schnellen, breiten und kostengünstigen Werbemaßnahme kann angesichts der im Wettbewerbsrecht geltenden Streitwerte regelmäßig schnell zum Alptraum werden, da der auf Unterlassung in Anspruch Genommene die Kosten des Gegners zu erstatten hat.
In Zukunft bleibt abzuwarten, ob diese bisher nur von den Untergerichten behandelnde Rechtsfrage von Oberlandesgerichten oder dem BGH ebenso beantwortet werden wird. Nach bisher geltendem Recht kann hieran kaum Zweifel bestehen.
Gleichwohl liegt derzeit ein Kommissionsvorschlag „für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates“ über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt (1999/C 30/04) vor, der zu einer Veränderung der eben dargestellten Rechtsprechung führen könnte.
Nach Artikel 7 dieses Richtlinienentwurfes („unerbetene kommerzielle Kommunikation“) haben die Mitgliedsstaaten in ihren Rechtsvorschriften vorzusehen, daß „durch elektronische Post übermittelte unerbetene kommerzielle Kommunikationen bei Eingang beim Nutzer klar und unzweideutig als solche bezeichnet sind“. Dieser Richtlinienentwurf stellt damit auf eine Kennzeichnungslösung ab, nach der es ausreicht, unerbetene Werbe-E-Mail deutlich als solche zu kennzeichnen.
Dieser Entwurf wurde ganz erheblich kritisiert. Der Verband der Deutschen Internet Wirtschaft, das Electronic Commerce Forum (ECO) in Köln, hat eine Petition gegen „Spam-Mails“ an das Europäische Parlament gerichtet, um ein europaweites Verbot von unerwünschten Werbemails zu erreichen. Der Verband führt dazu aus, daß, wenn die Versendung von elektronischen Massensendungen weiter anwachse, „könnte dies dazu führen, daß die Akzeptanz des Internets als Kommunikationsmedium gefährdet sei. Fielen die bisherigen rechtlichen Bestimmungen fort, käme es zu einer unkontrollierbaren Werbeflut, die den Empfänger extrem belästigt“.
Im derzeitigen Meinungsstreit bleibt es somit spannend, inwieweit das sogenannte „Opt-in“- Modell zum Regelungsgehalt wird, wonach „durch elektronische Post vermittelte kommerzielle Kommunikation erbeten sein“ muß, oder ob das „Opt-out“-Modell mit Kennzeichnungspflicht und Widerspruch gegen Zusendung sich durchsetzen wird.
Zusammenfassend bleibt einstweilen festzuhalten, daß bis zu einer Umsetzung einer solchen Richtlinie das unaufgeforderte Zusenden von E-Mails nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung unzulässig ist und auch bei einer Kennzeichnung entsprechend dem Richtlinienentwurf das Risiko einer Abmahnung besteht. Es sei demgemäß jedem Werbetreibenden anempfohlen, sich solcher Werbemittel zu enthalten, um kostenträchtige Abmahnungen oder Verfahren zu vermeiden.
Rauschhofer Social