Das „Windhund-Prinzip“ gilt auch im ADR-Verfahren
Nachdem die beiden Sunrise-Perioden, in denen insbesondere Markeninhaber EU-Domains anmelden konnten, verstrichen sind und auch die sogenannte Landrush-Periode am 07.04.2006 eingesetzt hat, stehen viele Unternehmen vor der Frage, ob sie gegen die Domainregistrierung ihrer Marke oder ihres Unternehmenskennzeichens durch einen anderen vorgehen sollen.
Für ein Vorgehen ist zunächst zu prüfen, ob das Unternehmen nur die Unterlassung der Benutzung des Domainnamens oder dessen Übertragung wünscht und wo sich der Gegner befindet.
Gegner in Deutschland
Auf Grund der Stellungnahmefrist des Beschwerdegegners im Alternative-Dispute-Resolution-Verfahren (alternatives Streitbeilegungsverfahren, kurz ADR) von 30 Tagen bietet nach diesseitiger Ansicht das gerichtliche Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung das schnellste und effektivste Mittel, wenn es sich um einen klaren markenrechtlichen Anspruch handelt und beide Prozessparteien in Deutschland ansässig sind. Problematisch könnte hier allerdings die Reichweite des Schutzes einer deutschen Marke sein, wenn die Domain (noch) nicht gezielt für ein deutsches Publikum benutzt wird.
Ist ein entsprechender Unterlassungsanspruch gegeben, kommen zudem auch Schadensersatzansprüche in Betracht (s. LG Frankfurt, fetenplaner.de).
Übertragung der Domain als Ausnahmefall
Schwierig wird es dagegen, wie dies auch aus der deutschen Jurisdiktion ermittelbar ist, wenn eine Übertragung des Domainnamens gewünscht wird. Ein solches Begehren lässt sich jedenfalls vor deutschen Gerichten grundsätzlich nur im Wege der Hauptsacheklage erreichen. Zwar hat als erstes Gericht das Landgericht Wiesbaden (Beschl. v. 09.08.2000 – 3 O 129/00) einmal der Übertragung der Domain im einstweiligen Verfügungsverfahren zugestimmt. Das Landgericht Saarbrücken sowie das Kammergericht Berlin haben sich hier angeschlossen. Einige Gerichte haben zudem einen Anspruch auf Freigabe der Domain im Wege der einstweiligen Verfügung angenommen (z. B. LG Berlin, Beschluss vom 11.08.2003 – Az. 23 O 374/03), doch besteht insoweit die Gefahr, dass sich ein Dritter die Domain nach Löschung registriert, da ein Dispute-Eintrag wie dies bei DE-Domains möglich ist, für EU-Domains nicht vorgesehen ist.
Die Übertragung einer EU-Domain dürfte indes nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und dann nur im Wege des Hauptsacheverfahrens zu erreichen sein.
Sitzt zudem der Gegner im europäischen Ausland bietet das ADR-Verfahren erhebliche Vorteile im Verhältnis zu einer Auseinandersetzung vor dem ordentlichen Gericht.
Überblick über das ADR-Verfahren
Das ADR-Verfahren für EU-Domains sei kursorisch nachstehend skizziert. Wie auch schon in den jeweiligen Registrierungsverfahren ist die Einleitung und Durchführung des Verfahrens an ganz spezifische Formalismen gebunden. Neben dem vor Einleitung des Verfahrens zu entrichtenden Vorschuss sind eine Vielzahl von Verfahrensaspekten und genauen Inhalten von Unterlagen zu berücksichtigen. Insoweit lehnt sich das EU-ADR-Verfahren weitgehend an das UDRP-Verfahren vor der WIPO an.
Als Kernmerkmal einer Beschwerde hat der Beschwerdeführer zu begründen, erstens, warum der registrierte EU-Domainname identisch oder verwechselbar mit Namen ist, für die ein Recht oder Rechte im nationalen Recht und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt ist oder sind; und zweitens, entweder
warum der Domainname vom Inhaber ohne Rechte oder legitime Interessen am streitigen Domainnamen registriert wurde, oder alternativ warum der Domainname in bösgläubiger Absicht registriert wurde oder benutzt wird.
Im Unterschied zum UDRP-Verfahren hat somit der Beschwerdeführer die markenrechtliche Verwechslungsgefahr nicht kumulativ mit der bösgläubigen Absicht darzulegen. Es reicht die Alternative, dass entweder eine Verwechslungsgefahr besteht und der Domaininhaber schlechtere oder gar keine Rechte gegenüber dem Beschwerdeführer hat oder, dass der Beschwerdeführer Rechte hat und die Registrierung unabhängig von der Frage einer Verwechslungsgefahr in bösgläubiger Absicht erfolgte. Wichtig ist auch, dass nach dem derzeitigen Verfahrensstand keine Möglichkeit besteht, die Übertragung einer Domain zu sperren, wie dies bei der Denic durch einen Dispute-Antrag möglich ist (s. o.). Zwingende Voraussetzung für eine Sperrung gemäß B Z. 4 Lit. (e) ist die Einleitung des ADR-Verfahrens. Diese Regelung entspricht den UDRP-Regelungen, zwingt jedoch den Beschwerdeführer zur Sicherung der Domain zur Einleitung des ADR-Verfahrens.
Bei einer Auseinandersetzung um eine deutsche Domain besteht demgegenüber die Möglichkeit, die Domain durch einen Dispute-Eintrag bei der Denic zu sichern und gleichzeitig ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. Ob das eingangs dargestellte Verfahrensziel der Unterlassung bzw. Aufhebung der Registrierung oder aber der Domainübertragung erreicht werden kann, richtet sich danach, ob eine Übertragung „im Einzelfall angezeigt ist“. Hier muss ein Beschwerdeführer neben der genauen Erläuterung der vorgenannten Rechte nicht nur sämtliche Bedingungen für die Registrierung einer Domain nach den Sunrise-Regeln und/oder den allgemeinen Registrierungsbedingungen der EU-Domain nachweisen. Er muss nach dem sog. Windhund-Prinzip auch als erster das ADR-Verfahren eingeleitet haben, da nach den ADR-Regeln eine Übertragung nur dann angeordnet werden kann, wenn der Beschwerdeführer „der nächste Antragssteller in der Warteschlange für den betroffenen Domainnahmen ist“ und eine Entscheidung des Registers vorliegt, dass der Beschwerdeführer allen in den EU-Vorschriften festgesetzten Registrierungskriterien genügt. Sofern also im Wege des ADR-Verfahrens eine Übertragung erreicht werden soll, muss sich der jeweilige Kennzeicheninhaber beeilen, um auch in dieser ADR-Liste für die jeweilige Domain ganz oben zu stehen.
In materieller Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der besseren Rechte zum Einen zwar insbesondere der Prioritätsgrundsatz des Markenrechtes gilt, zum Anderen aber auch Territorialitätsprinzip. Soweit also ein Beschwerdeführer nicht beispielsweise über eine EU-Marke oder eine internationale Marke nach dem Madrider Markenabkommen über prioritätsältere Rechte im jeweiligen Territorium des Domaininhabers und somit Beschwerdegegners verfügt, helfen ihm nationale Markenrechte nicht weiter.
Beispielsweise kann der Inhaber einer prioritätsälteren deutschen Marke aus dieser nicht gegen den Inhaber einer prioritätsälteren österreichischen Marke vorgehen, da hinsichtlich eines markenrechtlichen Konfliktes keine territoriale Schnittmenge gegeben ist.
Soweit füglich keine territorialübergreifenden EU-Marken vorhanden sind, sollte vor der Einleitung eines Verfahrens sehr genau geprüft werden, wie Erfolg versprechend sich ein Verfahren darstellt. Denn für die Darlegung der Bösgläubigkeit der Registrierung bedarf es eines ganz erheblichen Nachweisaufwands, dessen Vorwurf sich ein Anmelder häufig durch einigermaßen geschickte Argumentation entziehen kann. Ein Vorgehen aus einer nationalen Marke gegen einen im Ausland ansässigen Anbieter käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Benutzung der Domain bestimmungsgemäß innerterritorial, d.h. in das Land des Beschwerdeführers erfolgt.
So entschied der Bundesgerichtshof, dass eine Markenverletzung im Inland grundsätzlich auch durch eine dänische Domain mit der Top-Level-Domain „.dk“ denkbar ist, sofern das Angebot einen wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweist. Problematisch im Falle der erst kürzlich registrierten EU-Domains ist, dass diese z. T. noch gar nicht benutzt werden.
In wirtschaftlicher Hinsicht gilt es auch zu berücksichtigen, dass die Verfahrenskosten für eine Beschwerde bei 1-2 Domains bei einer einköpfigen Schiedskommission bei € 1.990,–, bei einer dreiköpfigen Schiedskommission bei € 3.990,– liegen. Vergleicht man demgegenüber die für deutsche Gerichte nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) zu entrichtenden Gerichtskosten, liegen diese bei einem Streitwert von € 50.000,– bei € 1.368,– (zzgl. Rechtsanwaltsgebühren). Soweit indes Verfahren gegen „Profi-Domaingrabber“ eingeleitet werden, was nicht selten bei Konzernen mit einer Vielzahl von Marken zu beobachten ist, kann sich das ADR-Verfahren insoweit lohnen, da beispielsweise bei 6-9 Domainnamen sich die Kosten für eine einköpfige Schiedskommission nur auf € 2.600,– und für die dreiköpfige Schiedskommission nur auf € 5.400,– erhöhen.
Zu beachten ist allerdings auch, dass, anders als im Verfahren der ordentlichen Gerichte, die außergerichtlichen Kosten, d.h. die Kosten der Rechtsanwälte, der Beschwerdeführer selbst zu tragen hat und selbst bei erfolgreichem Ausgang des ADR-Verfahrens versuchen muss, diese, regelmäßig über den ordentlichen Gerichtsweg, als Schadensersatz beim Gegner einzuklagen und zu vollstrecken. Wird ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geführt, folgt im Obsiegensfalle aus dem vollstreckbaren Titel und dem auf Grund der Kostenentscheidung ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss, dass auch dieser unmittelbar vollstreckt werden kann.
Zusammengefasst ist die Frage der Einleitung eines ADR-Verfahrens sehr sorgfältig danach abzuwägen, welche Ziele ein Unternehmen verfolgt, wie wichtig eine schnelle Durchsetzung von Ansprüchen und wie wichtig eine eventuelle Domainübertragung ist. Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen Parameter zu berücksichtigen, insbesondere ob ein nicht so eiliger Unterlassungsanspruch gegebenenfalls „kostengünstiger“ und vollstreckbar durchgesetzt werden soll. Bei unsicherer Rechtslage, insbesondere hinsichtlich eines etwaigen Gegenrechts, empfiehlt sich alternativ auch ein außergerichtliches bzw. außeramtliches Vorgehen, d. h. ein freundliches Rechtsanwaltsschreiben an den Domaininhaber verbunden mit der Aufforderung, das eigene Recht, auf welches sich die EU-Domainregistrierung stützt, näher darzulegen. Sofern dies z. B. eine nur zum Schein eingetragene Marke sein sollte, wären sodann ggf. weitere Schritte zu prüfen.
Einen allgemeinen Rat gibt es nicht. Der Einzelfall und die individuellen Anforderungen sind entscheidend.
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