OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE, 6 U 145/00 24 0 2/00

Im Namen des Volkes

U r t e i l

Verkündet am: 25.07.2001

In Sachen

– Klägerin / Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte:

gegen

– Beklagter / Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigter:

wegen unl. Wettbewerbs

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 11.07.2001 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. L.

Richter am Oberlandesgericht N.

Richter am Oberlandesgericht Dr. S.

für R e c h t erkannt:

 

U R T E I L

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. Juni 2000 – 24 O 2/00 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen der Klägerin zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 18.000 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Bankbürgschaft wird als Sicherheit jeweils zugelassen.

4. Die Beschwer der Klägerin übersteigt DM 60.000.

T A T B E S T A N D

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist das Verbot, Arbeitnehmer zum Zwecke der Abwerbung an ihrem Arbeitsplatz anzurufen.

Die Klägerin, Tochtergesellschaft eines europaweit tätigen Konzernunternehmens der EDV-Branche, beschäftigt hochqualifizierte Spezialisten, die sie durch interne Schulungsmaßnahmen stets auf dem neuesten Entwicklungsstand hält. Der Beklagte ist ein auf Personalberatung spezialisierter selbständiger Unternehmer, der sich im Rahmen gezielter Personalakquisition mit der Vermittlung von Führungs- und Fachkräften beschäftigt (headhunting). Wegen der großen Nachfrage nach EDV-Spezialisten sieht sich die Branche in erheblichem Umfang telefonischen Abwerbungsversuchen sogenannter Headhunter ausgesetzt.

Im Sommer 1999 erhielt der Beklagte von einem Personalberatungsunternehmen den Auftrag, für ein ausländisches Software-Unternehmen hochqualifiziertes Personal zu suchen. Der Beklagte nahm zu diesem Zweck mit einer Mitarbeiterin der Klägerin, Frau M., die als Projektleiterin im Hause der Klägerin tätig ist, an deren Arbeitsplatz Telefonkontakt auf. Über den Gesprächsinhalt machen die Parteien unterschiedliche Angaben. Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe ihrer Mitarbeiterin die Stelle eines Projektleiters bei einem amerikanischen Software-Unternehmen angeboten.

Die Klägerin erblickt in der bloßen telefonischen Kontaktaufnahme des Beklagten am Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung von Mitarbeitern eine wettbewerbswidrige Handlung, die den Störer auf Unterlassung und auf Schadensersatz haften lasse.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, Mitarbeiter der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung anzurufen und/oder anrufen zu lassen;

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über diejenigen Telefongespräche, welche der Beklagte in der Vergangenheit mit den Mitarbeitern der Klägerin an deren Arbeitsplatz – zu Zwecken der Abwerbung der Mitarbeiter – geführt hat oder hat führen lassen, zu erteilen unter Angabe von Name, Anschrift des Anrufenden, Name des angerufenen Mitarbeiters, Zeitpunkt, Dauer und Inhalt des Telefonats, Name und Anschrift des Unternehmens, zu dessen Gunsten abgeworben werden sollte sowie weiter nach dem ersten Anruf erfolgte Telefonate;

3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin aus den Handlungen gemäß Klagantrag Ziff. 1 und 2 entstanden ist und noch entstehen wird.

Der Beklagte hat Klageabweisung erstrebt mit der Begründung, er habe Frau M. nicht abwerben, vielmehr von ihr Hinweise über geeignete Personen für den zu vergebenden Posten eines Geschäftsführers erhalten wollen (sog. sourcing).

Das Landgericht hat den Vortrag der Klägerin unterstellt und die Klage abgewiesen. Das zielgerichtete Abwerben von Mitarbeitern eines Konkurrenten sei grundsätzlich erlaubt und im Streitfall mangels unlauterer Mittel oder verwerflicher Zweckverfolgung auch nicht verboten. Die von der Klägerin angeführten Umstände rechtfertigten das von ihr begehrte generelle Handlungsverbot nicht.

Mit der Berufung bekämpft die Klägerin die Rechtsauffassung des Landgerichts. Das Landgericht habe die Rechtsprechungsgrundsätze zum missbräuchlichen Einsatz moderner Kommunikationsmittel im Wettbewerb verkannt. Als Leitbild diene insoweit die Entscheidung „Telefonwerbung IV“, mit der der Bundesgerichtshof klargestellt habe, dass ein Gewerbetreibender Telefonanrufe zu Wettbewerbszwecken grundsätzlich nicht hinzunehmen brauche. Es fehle hier an einem entgegenstehenden besonderen Interesse an dem Anruf, da Abwerbungsversuche auf Schädigung der Arbeitgeber zielten. Das gelte auch, soweit der Anrufer lediglich Namen spezieller Abwerbekandidaten durch den Anruf in Erfahrung bringen wolle. Damit sei der Anruf eines Headhunters ohne weiteres als sittenwidrig zu qualifizieren.

Im (ersten) Senatstermin hat die Klägerin ihre Abwehrklage dahin erweitert, dem Beklagten auch zu verbieten, Mitarbeiter der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz zum Zwecke der Ausforschung an- oder abwerbebereiter Dritter anzurufen oder anrufen zu lassen. Nachdem der Beklagte diesen Anspruch strafbewehrt anerkannte, erklärten die Parteien diesen Streitpunkt für erledigt.

Die Klägerin beantragt nunmehr nur noch,

in Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen

und außerdem

den Beklagten zur Zahlung von DM 6.554,53 nebst 4 % Zinsen seit 15.12.2000 zu verurteilen (Rückzahlung erstatteter Kosten 1. Instanz gem. § 717 Abs. 2 ZPO).

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen. Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der Anruf habe nicht dazu gedient, die Angerufene selbst abzuwerben. Vielmehr habe er mit diesem Telefonat Frau M. lediglich als Informationsquelle gewinnen wollen. Zweck des Anrufs sei auch nicht gewesen, die Angerufenen nach absprungwilligen Mitarbeitern der Klägerin auszuforschen. Vielmehr habe er sich einen Hinweis auf leitende Vertriebsfachleute von Softwareherstellern aus dem Kundenkreis der Klägerin erhofft, die als Kandidat für die zu besetzende Position in Frage kämen. Auf Mitarbeiter der Klägerin habe er es gar nicht abgesehen gehabt. Selbst bei Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin stehe dieser der geltend gemachte Anspruch aus Rechtsgründen nicht zu. Individuelle Interessen der angerufenen Arbeitnehmer sowie gesamtwirtschaftliche Belange rechtfertigten diese Form der Personalsuche. Auf das vorausgegangene Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (WRP 2000, 318) könne sich die Klägerin nicht berufen, es begegne durchgreifenden Einwänden. Unter keinem der dort angeführten Gründe ergebe sich die Sittenwidrigkeit der telefonischen Personalakquisition.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

Die – nach gewährter Wiedereinsetzung – zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

In Übereinstimmung mit der Bewertung des Landgerichts im angegriffenen Urteil hält auch der Senat die Klage für unbegründet. Das nach ihrem Antrag allein gewollte Schlechthinverbot der telefonischen Abwerbung am Arbeitsplatz kann der Klägerin von Rechts wegen nach keiner der im Streitfall in Betracht kommenden zivilrechtlichen (§§ 823 Abs. 1, 826 BGB) oder wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen (§ 1 UWG) zugesprochen werden. Deshalb entfallen auch die weiteren mit der Klage verfolgten Ansprüche einschließlich des im Berufungsrechtszug geltend gemachten Zahlungsanspruchs gem. § 717 Abs. 2 ZPO.

1. Ausgangspunkt der – auch die zivilrechtliche Beurteilung determinierenden – wettbewerbsrechtlichen Betrachtung ist der Grundsatz, dass das Abwerben (Ausspannen) von Beschäftigten eines anderen Unternehmens zulässig ist. Denn in einer freien, auf Wettbewerb angelegten Marktwirtschaft, in der auch qualifizierte Mitarbeiter einen erheblichen Wettbewerbsfaktor bilden, ist der Wettbewerb um solche Mitarbeiter notwendiger Teil des Leistungswettbewerbs. Daher ist das Bemühen, den Leistungsstand des Unternehmens durch die Hinzugewinnung neuer Arbeitskräfte zu sichern oder zu erhöhen, Bestandteil der schützenswerten freien Wirtschaftsordnung. Von jeher hat die Rechtsprechung als weiteren Grund für die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Wettbewerber auch die Mobilität der Arbeitnehmer selbst herausgestellt, die in ihrer Bewegungsfreiheit nicht übermäßig eingeschränkt werden sollen (vgl. die Nachweise zur Rechtsprechung des Reichsgerichts bei von Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kapitel 33 Rn. 16; ferner OLG Celle GRUR 1962, 366, 367 und Senat, Urteil vom 24.01.2001 – 6 U 167/00).

Nur bei Hinzutreten von besonderen Umständen hat die Rechtsprechung in dem Abwerben von Arbeitnehmern des Mitbewerbers ein sittenwidriges Verhalten angenommen (BGH LM Nr. 26 a zu § 826 BGB; BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB – Abwerbung; BGH NJW 1961, 1308, 1309; Spritzgussmaschine; BGH GRUR 1984, 129, 130 – shop-in-the-shop I; OLG Frankfurt WRP 1977, 728; Piper GRUR 1990, 643, 647; wegen weiteren Nachweisen Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., 2001, § 1 UWG Rn. 583). Erst die Abwerbung unter Anwendung eines unlauteren Mittels oder unter Verfolgung eines verwerflichen Zwecks beeinträchtigt daher die guten Sitten im Wettbewerb unter dem Gesichtspunkt der Ausbeutung oder Behinderung des Mitbewerbers und qualifiziert das Verhalten als wettbewerbsrechtlich anstößig.

So ist etwa die Verleitung zum Vertragsbruch, also die Aufforderung an den Umworbenen, seine (noch) bestehende arbeitsvertragliche Pflicht zu verletzen, beispielsweise durch eine Vertragsaufsagung vor wirksamer Vertragsbeendigung, als unlauter beurteilt worden (Baumbach/Hefermehl, a.a.O. Rn. 584). Selbst bei Beachtung vertraglicher Bindungen können besondere Begleitumstände die Sittenwidrigkeit zum Beispiel dann begründen, wenn die Abwerbung unter Eindringen in die fremde Betriebssphäre des Konkurrenten geschieht (BGH GRUR 1967, 104, 106 – Stubenhändler; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rn. 594). Insbesondere können nachhaltige und wiederholte Abwerbungsversuche über einen geschäftlichen Telefonapparat wettbewerbswidrig sein (OLG Frankfurt WRP 1977, 728 f; zustimmend Baumbach/Hefermehl, a.a.O. Rn. 594; Reufels GRUR 2001, 214, 216; Quiring, WRP 2001, 470, 474).

2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen besteht kein Verbietungsrecht des Betroffenen Arbeitgebers (Dienstherren), der dem Abwerbenden lediglich zum Vorwurf macht, er habe ein einziges mal Kontakt zu der Zielperson über die geschäftliche Telefonverbindung am Arbeitsplatz aufgenommen mit dem Ziel, ein Gespräch auf privater Ebene mit dem Umworbenen zu vereinbaren.

Die Klägerin erstrebt ein generelles Verbot telefonischer Abwerbungsversuche für jeden denkbaren Fall. Das setzt voraus, dass die im Bereich der gezielten Personalakquisition praktizierte Methode als solche, also bereits die telefonische Direktansprache potentieller Kandidaten am Arbeitsplatz als anstößig und unlauter einzustufen ist. Für ein so weitgehendes Handlungsverbot besteht allerdings nach Auffassung des Senats ein schützenswertes Interesse des betroffenen Arbeitgebers nicht.

Die Beurteilung, ob ein beanstandetes Wettbewerbsverhalten sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG ist, erfordert regelmäßig eine – am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtende – Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens nach seinem konkreten Anlass, seinem Zweck, den eingesetzten Mitteln, seinen Begleitumständen und Auswirkungen. Bei der hiernach im Streitfall gebotenen Interessenabwägung sind neben den Belangen des Arbeitgebers auch die Interessen der umworbenen Arbeitnehmer und des Abwerbenden einschließlich dessen Auftraggeber zu berücksichtigen.

a) Der von der Klägerin ins Feld geführte Gesichtspunkt des Eindringens in die fremde Betriebssphäre und die Störung des betrieblichen Funktionsablaufes durch den Anrufer macht die hier allein zur Beurteilung stehende erste persönliche Kontaktaufnahme nicht schon zu einem wettbewerbsrechtlich zu missbilligenden Vorgang.

Es besteht schon im Wertungsansatz ein erheblicher Unterschied, ob der im Drittinteresse auftretende Personalwerber den Arbeitnehmer persönlich an seinem Arbeitsplatz aufsucht und dabei körperlich in die Betriebssphäre des fremden Unternehmens eindringt oder ob er lediglich einen telefonischen Kontakt mit dem Umworbenen sucht. Denn es liegt auf der Hand, dass ein Mitarbeiter sich den Abwerbungsbemühungen eines am Arbeitsplatz erschienenen Werbers verhältnismäßig schwerer als einem Abwerbungsgespräch am Telefon entziehen kann (Reufels, GRUR 2001, 214, 218; Quiring, WRP 2001, 470, 474). Der durch einen bloßen Telefonanruf verursachte Störfaktor steht daher nicht allgemein einem körperlichen Eindringen in die Betriebssphäre gleich (a.A. OLG Stuttgart WRP 2000, 318, 320 f).

Eine erhebliche Störung der Integrität des betrieblichen Organismus oder der Funktionseinheit des Unternehmens kann auch nicht darin liegen, dass der angesprochene Arbeitnehmer von der Erfüllung seiner dienstvertraglichen Verpflichtung abgehalten wird (so OLG Stuttgart WRP 2000, 318, 321), und zwar zunächst für die Dauer des Telefonats und sodann für eine weitere Zeitspanne, in der er sich gedanklich mit dem Angebot einer neuen Arbeitsstelle beschäftigt. Die hierfür in Anspruch genommene Arbeitszeit des Arbeitnehmers und die hierdurch bedingte Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers können bei der rechtlichen Beurteilung vernachlässigt werden. In aller Regel wird es sich nur um wenige Minuten und kaum messbare und wirtschaftlich quantifizierbare Vorgänge handeln. Jedenfalls aber kann für einen Verbotsausspruch nicht zugrunde gelegt werden, dass ein angesprochener Arbeitnehmer sich so intensiv mit dem Gesprächsinhalt beschäftigt, dass es zu einer nachhaltigen Störung des Arbeitsablaufs kommt und der Anrufer als Störer erscheint. Die Behauptung von konzentrationsbedingten Arbeitsunterbrechungen in einem solchen Ausmaß, darin ist dem Landgericht beizupflichten, stellt eine Übertreibung dar, die an der Wirklichkeit des Arbeitslebens vorbeigeht und deshalb auch der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden darf.

b) Ohne Erfolg leitet die Klägerin die Wettbewerbswidrigkeit von telefonischen Abwerbungsversuchen aus den vom BGH zur Telefonwerbung für Gewerbetreibende entwickelten Grundsätzen her (BGH GRUR 1991, 766 – Telefonwerbung IV). Hiernach sind solche Anrufe wegen der mit ihnen verbundenen unerwünschten Störung des Geschäftsganges nur dann wettbewerbskonform, wenn ein konkreter, in dem Interessenbereich des Anzurufenden bestehender Grund in Form eines ausdrücklichen oder konkludent erklärten Einverständnisses besteht oder aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein Interesse des Adressaten vom Anrufer vermutet werden kann.

Bei der Übertragung dieser Grundsätze darf aber nicht allein auf das Interesse des Arbeitgebers abgestellt werden. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass der Anschlussinhaber den – für die Dauer des Anrufs blockierten – betrieblichen Telefonanschluss nicht im Interesse des Werbetreibenden, sondern im Interesse der eigenen wirtschaftlichen Betätigung eingerichtet hat. Da es sich dabei aber um die telefonische Verbindung handelt, über die der umworbene Arbeitnehmer gewöhnlich tagsüber nur erreicht werden kann, sind auch dessen Belange in die Interessenbewertung einzustellen. Dabei kann nicht, wie es die Klägerin tut, von einem fehlenden Arbeitnehmerinteresse ausgegangen werden. Vielmehr liegt ein grundsätzliches Interesse der in Rede stehenden spezialisierten und für Leitungsfunktionen qualifizierten Arbeitnehmer an beruflicher Verbesserung und damit ein mutmaßliches Einverständnis mit dem von der Klägerin beanstandeten Werbeanruf nahe. Der Anruf dient nicht allein gewerblichen Zwecken des Anrufers bzw. seines Auftraggebers wie bei der unerbetenen telefonischen Produktreklame. Er berührt vielmehr auch die rechtlich geschützten Belange des Angerufenen, was seine Position auf dem Arbeitsmarkt angeht. Daher muss es dem Anrufer erlaubt sein, ein konkretes Interesse des Angerufenen durch Aufnahme eines Erstkontakts am Arbeitsplatz zumindest zu erfragen. Insoweit haben die Interessen des betroffenen Arbeitgebers am Unterbleiben von jeglichen Abwerbungsversuchen über betriebliche Kontaktaufnahmen zurückzustehen. Das gilt auch mit Blick auf Art. 12 GG, auf den sich die Personalwerber selbst berufen können, deren Tätigkeit bei einem generellen Verbot der Direktansprache am Arbeitsplatz unverhältnismäßig eingeschränkt wäre. Dem Arbeitgeber steht nicht das Recht zu, seine Mitarbeiter von jeden äußeren Einflussnahmen und telefonischen Kontaktaufnahmen am Arbeitsplatz abzuschirmen. Möglichen Abwerbeversuchen kann und muss er mit anderen Mitteln als wettbewerbsrechtlichen Verboten, etwa auf der Ebene der materiellen Arbeitsbedingungen, begegnen.

3. Nach alledem ist die nur mehr auf das Schechthinverbot gerichtete Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Nicht gedeckt sind nach den Ausführungen unter 2. aber Anrufe, die allein oder zumindest auch den Zweck haben, den angesprochenen Arbeitnehmer als Quelle für das Sourcing zu benutzen und ihn nach potentiellen Abwerbekandidaten auszuhorchen. Ein solches Ausspionieren der betrieblichen Verhältnisse des Konkurrenzunternehmens stellt regelmäßig einen Wettbewerbsverstoß dar. Der Senat braucht dem aber hier wegen des Anerkenntnisses des Beklagten nicht weiter nachzugehen. Der Klägerin sind jedenfalls in Anwendung des § 93 ZPO auch die durch ihre Klageerweiterung verursachten Kosten aufzuerlegen.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Die Beschwer der Klägerin ist gem. § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzen.

Dr. L.   N.   Dr. S.

Beschluss

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf DM 256.554,53 festgesetzt.

Dr. L.   N.   Dr. S.

© RA Dr. Hajo Rauschhofer – 3.6.2001