Beitrag von RA Dr. Rauschhofer in der Computerwoche Nr. 35 vom 31.8.2001
Wenn der Headhunter anruft, kann es teuer werden: Entweder für das betroffene Unternehmen, das einen IT-Spezialisten verliert, oder für den Personalberater, wenn er sittenwidrig handelt. Es stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen und wie man sich gegen diese Abwerbungsversuche wehren kann.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist grundsätzlich auch das planmäßige Abwerben von Mitarbeitern eines Konkurrenten erlaubt. Ein „Abspenstigmachen“ wird erst dann sittenwidrig, wenn die beim Abwerben angewandten Mittel oder der erstrebte Zweck sittlich zu missbilligen sind. Als verwerfliches Mittel kommen dabei insbesondere die Verleitung des Umworbenen zum Vertragsbruch oder der Einsatz irreführender Angaben in Betracht, die die Entscheidung des Umworbenen unsachlich beeinflussen sollen.
Streitig ist dagegen, in welchem Umfang Telefonanrufe am Arbeitsplatz des Mitarbeiters zulässig sind. Da das Abwerben von Mitarbeitern nicht grundsätzlich sittenwidrig ist, hatten Gerichte darüber zu befinden, ob auch Telefonanrufe als besondere Begleitumstände die Sittenwidrigkeit begründen oder als verwerfliche Mittel und Methoden einzustufen sind.
In einem vom Oberlandesgericht Stuttgart als Berufungsgericht entschiedenen Fall (Urteil vom 17. Dezember 1999, Aktenzeichen 2 O 133/99) bewertete das Gericht den Anruf eines Headhunters als sittenwidrig: Dieser hatte sich über die Telefonzentrale eines Systemhauses mit einem „kompetenten Mitarbeiter für den Vertrieb von Netzwerken“ verbinden lassen, denjenigen aber abwerben wollen. In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Wettbewerbswidrigkeit unaufgeforderter werblicher Telefonanrufe sah das Gericht ein unrechtmäßiges Eindringen in die Betriebssphäre unter Ausnutzung der als Vermögenswert einzustufenden und vorgehaltenen Telefonzentrale.
Der Bundesgerichtshof nahm die Revision gegen diese Entscheidung mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht an, wies aber darauf hin, dass die Revision im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (BGH Beschluss vom 2. November 2000; Aktenzeichen I ZR 22/00). Demnach galt das Stuttgarter Urteil bisher als Leitentscheidung, wonach telefonische Abwerbungsversuche – zumindest unter Ausnutzung der vorgehaltenen Telefonzentrale – unzulässig seien.
In einer am 25. Juli 2001 vom sechsten Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe verkündeten Entscheidung befand das Gericht im konkreten Fall, dass ein etwa fünfminütiger Telefonanruf im Betrieb nicht als sittenwidrig zu missbilligen sei (Urteil vom 25. Juli 2001, Aktenzeichen 6 U 145/00). Das Karlsruher Gericht nahm auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Mannheim (vom 19. Juni 2000, Aktenzeichen 24 O 2/00) und das widerstreitende Stuttgarter Urteil Bezug und wies darauf hin, dass ein verständiger Arbeitgeber gelegentliche private Telefonate von kurzer Dauer nicht beanstande. Auch dürfte für die betroffene hoch qualifizierte DV-Spezialistin nach dem Telefonat keine Konzentrationsstörung mit der Folge einer Arbeitsunterbrechung zu beklagen sein.
In den Augen des Karlsruher Gerichts ist eine Abwägung der Interessen erforderlich. Dabei seien nicht nur die Belange des Arbeitgebers, sondern auch die des Arbeitnehmers, des Abwerbenden, aber auch die Interessen des Konkurrenzunternehmens zu berücksichtigen. Darum sei der Erstkontakt über die geschäftliche Telefonverbindung am Arbeitsplatz mit dem Ziel, ein Gespräch mit dem Umworbenen auf privater Ebene zu vereinbaren, nicht zu beanstanden.
Beiden Urteilen ist gemein, dass sie Einzelfallentscheidungen darstellen und somit eine allgemeine Übertragbarkeit nur bedingt möglich ist. Eine Grundsätzlichkeit geht von keiner der beiden Entscheidungen aus, wobei abzuwarten bleibt, ob der Bundesgerichtshof in einer etwaigen Revision Ausführungen grundsätzlicher Bedeutung macht.
Bei einem Abwerbungsversuch ist die konkrete Vorgehensweise und deren Umfang für die Entscheidung erheblich. Inwieweit ein Anrufen des Kandidaten über seine unmittelbare Durchwahl zu beanstanden ist, lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Urteile der Stuttgarter und Karlsruher Oberlandesgerichte nicht abschließend beurteilen und hängt auch jeweils vom Einzelfall ab. Eine Rolle kann auch spielen, wie ein Personalberater überhaupt in Kenntnis der Durchwahl gelangt ist. Als unzulässig wird hier insbesondere angesehen, Angerufene an ihrem Arbeitsplatz nach absprungwilligen Mitarbeitern auszuforschen. Wettbewerbswidrig bleiben auch nach der jüngsten Entscheidung nachhaltige und wiederholte Abwerbungsversuche über einen geschäftlichen Telefonapparat (so bereits Oberlandesgericht Frankfurt WRP 1977, 728).
Ebenfalls gerichtlich völlig ungeklärt ist die Zulässigkeit von E-Mails zum Zwecke der Abwerbung, die sich unmittelbar unter seiner eigenen Firmen-E-Mail-Adresse an den Empfänger wenden. Überträgt man hier die nach herrschender Meinung ebenso gegebene Unzulässigkeit unaufgeforderter Zusendung von E-Mail-Werbung, dürfte Gleiches auch im Bereich der Personalberatung gelten, so dass auch die Abwerbung per E-Mail wettbewerbswidrig sein dürfte. Argumentieren ließe sich im Übrigen, dass auch hier der Versender beim Einsatz von E-Mail vom Arbeitgeber aufgebaute Infrastrukturen ausnutze, woraus sich die Sittenwidrigkeit zusätzlich ergeben könnte. Wenn Arbeitgeber Mitarbeitern erlauben, das E-Mail-System auch privat zu nutzen, könnte dies mit Blick auf das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe indes gegen eine Unzulässigkeit sprechen.
Erhält ein Unternehmen Kenntnis von einem Abwerbungsversuch und stellt sich die Rechtslage im konkreten Fall als Erfolg versprechend dar, kann es den Personalberater abmahnen und auffordern, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Die angemessene Frist, eine solche Erklärung abzugeben, ist regelmäßig eine Woche. Verstreicht diese, kann der Arbeitgeber versuchen, im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens seinen Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Ergeht eine obsiegende Entscheidung durch Beschluss beziehungsweise nach mündlicher Verhandlung durch Urteil, hat es der Personalberater in der Hand, die Regelung als endgültig anzusehen, was er durch eine so genannte Abschlusserklärung zu dokumentieren hat. Gibt er diese Erklärung nicht ab, kann das Unternehmen im Wege der Hauptsacheklage vorgehen.
Da es an einer grundsätzlichen Rechtsprechung zur telefonischen Abwerbung am Arbeitsplatz fehlt, besteht immer – außer in eindeutigen Fällen massiver Abwerbungsversuche – ein gewisses Prozess(kosten)risiko: Die Beurteilung des konkreten Falles kann jeweils eine Wertungsfrage darstellen. Als Ergebnis bleibt indes festzuhalten, dass Unternehmen einer Herauslösung wertvoller Mitarbeiter nicht tatenlos zusehen müssen, sondern über rechtliche Möglichkeiten der Verteidigung verfügen.
Links zum Thema:
- Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.07.2001
- des OLG Stuttgart vom 17.12.1999 via JurPC
- des BGH vom 2.11.2000 via JurPC
- Beitrag via Computerwoche
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