Internet World Business, 03/06, S. 11

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil entschieden, dass selbst die in einem digitalen Datenbestand verkörperte Vorstufe für einen Stadtplan ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk darstellen kann. Kartographische Gestaltungen könnten selbst dann, wenn sie in der Gesamtkonzeption (insbesondere bei der Gestaltung des Kartenbildes) keine schöpferischen Züge aufweisen (wie zum Beispiel bei der Erarbeitung eines einzelnen topographischen Kartenblatts nach einem vorbekannten Muster), urheberrechtlich schutzfähig sein (Az.: I ZR 227/02).

Urteilsanalyse

Der für Urhebersachen zuständige erste Zivilsenat hat damit entschieden, dass die Anforderungen an die schöpferische Eigentümlichkeit bei kartographischen Gestaltungen gering sind. Auch bei einer Bindung an vorgegebene Zeichenschlüssel und Musterblätter könne dem Entwurfsbearbeiter oder Kartographen (etwa bei der Generalisierung und Verdrängung) ein für die Erreichung des Urheberrechtsschutzes genügend großer Spielraum für individuelle kartographische Leistungen bleiben. Allerdings folge aus einem geringen Maß an Eigentümlichkeit auch ein entsprechend enger Schutzumfang für das betreffende Werk (vgl. hierzu bereits BGH GRUR 1988, 33, 35).

Praxistipp

Für Internet-spezifische Streitigkeiten darf die Übernahme von Stadtplänen zur Anfahrtsbeschreibung auf eine Unternehmens-Homepage fast schon als „Klassiker“ eingeordnet werden. Häufig infolge Unkenntnis werden entweder von kommerziellen Kartenanbietern Online-Ausschnitte per „Copy&Paste“ in die eigene Homepage eingefügt oder gedruckte Stadtpläne eingescannt und mit dem Standort versehen. Oft sprechen die Kopierer dem entnommenen Kartenausschnitt die urhebberechtliche Schutzfähigkeit ab. Diesem Argument dürfte mit dem BGH-Spruch weitgehend der Boden entzogen worden sein.

Doch selbst wenn eine Urheberrechtsverletzung vorliegt und ein Schadenersatzanspruch dem Grunde nach gegeben ist, bleibt zu beachten, dass die zu zahlende Nutzungsentschädigung immer im Verhältnis zur tatsächlichen Nutzung, also der Anzahl der Seitenabrufe, stehen muss und daher Forderungen von mehreren tausend Euro als Entschädigungslizenz nicht selten überhöht sind (vgl. AG Charlottenburg, Az.: 236 C 282/04 – aufgehoben durch LG Berlin 12/2005 – Entscheidung noch nicht veröffentlicht). Etwaige im Internet bereitgestellte Lizenzverträge des Kartenanbieters stellten zumindest nach Ansicht des Amtsgerichts Charlottenburg keine Grundlage für die Berechnung des Schadenersatzes im Wege der Lizenzanalogie dar, wenn nicht gleichzeitig dargelegt und bewiesen werde, dass Lizenzverträge tatsächlich auf dieser Grundlage bestehen. Man sollte also bei entsprechenden Abmahnungen unbedingt juristischen Rat einholen.

Für eine rechtlich unbedenkliche Anfahrtsbeschreibung auf der Homepage bleibt somit nur die Möglichkeit, eine Lizenz zu erwerben oder die Karte selbst zu zeichnen. Da indes auch die verkörperte Vorstufe geschützt ist, dürfte auch eine Verfremdung mittels der üblichen Grafik-Tools, soweit geschützte Teile des Originals beibehalten werden, regelmäßig eine Urheberverletzung nicht beseitigen.