Kopierter Code? Wie man bei Verdacht auf Urheberverstöße Beweise sichern kann
Internet World Business, 11-2008, Seite 10
Es kommt immer wieder vor, dass der Inhaber von Urheberrechten und Patenten den Verdacht hat, dass seine Schutzrechte verletzt wurden. Erscheint eine Konkurrenzsoftware mit nahezu identischen Funktionen und ähnlichen Bildschirmmasken, folgt daraus per se noch kein belastbarer Verdacht einer Urheberrechtsverletzung; kommen jedoch weitere Umstände hinzu, bei denen sich gewisse Rückschlüsse auf die Arbeitsweise aufdrängen, stellt sich die Frage, wie ein Schutzrechtsinhaber Gewissheit bekommen kann.
Bei Software besteht häufig das Problem, dass diese im Objektcode ausgeliefert wird – also nicht in Programmzeilen, die ein Programmierer quasi wie Klartext lesen kann, sondern in Maschinencode, den nur ein Computer versteht. Es fällt deshalb regelmäßig schwer, die Übernahme von Quellcode oder das Programmierungskonzept zu ermitteln. Ähnliches gilt für Hardware-basierte Erfindungen im Computerbereich: Allein durch das Anschauen und Ausprobieren beispielsweise einer Faxkarte erlangt man noch keine Kenntnis über deren Funktionsinhalte, und ein Auslesen der Betriebs- und Kommunikationssoftware auf Quellcode-Ebene scheidet fast immer ebenfalls aus.
Der Besichtigungsanspruch
Durch die jüngere Rechtsprechung wurde dem Schutzrechtsinhaber daher ein Besichtigungsanspruch an die Hand gegeben, mit dessen Hilfe er sich auch im Eilverfahren Informationen bezüglich einer Rechtsverletzung verschaffen kann.
Vorausgegangen war die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (Az.: I ZR 45/01, Stichwort „Faxkarte“), in der die Richter entschieden, dass sich ein auf Paragraf 809 BGB gestützter Besichtigungsanspruch nicht nur auf eine Besichtigung einer Sache selbst, sondern auch auf den in dieser Sache implementierten Quellcode beziehen kann.
Nicht ohne Verdachtsmomente
Aufbauend auf der ergangenen Entscheidung des BGH urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt, dass ein Anspruchsteller auch im Wege der einstweiligen Verfügung zunächst die Sicherung und – nach Abschluss des einstweiligen Verfügungsverfahrens – unter gewissen Voraussetzungen auch die Herausgabe des Quellcodes zu dessen Analyse verlangen kann (Az.: 11 W 21/05). Voraussetzung für eine solche Besichtigungsverfügung ist natürlich, dass eine Rechtsverletzung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegt.
Anhaltspunkte hierfür sind beispielsweise die Präsentation eines dezidierten Konzepts im Rahmen eines Angebots, für das dann letztlich ein Auftrag nicht erteilt wird, oder das Ausscheiden eines Programmierers, der zur Konkurrenz wechselt. Sofern beispielsweise ein bestimmtes Verfahren als Verfahrenspatent geschützt ist, besteht nach der vom Landgericht Düsseldorf entwickelten sogenannten „Düsseldorfer Besichtigungspraxis“ eine Besonderheit: Die Besichtigung erfolgt durch einen gegenüber dem Patentinhaber zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen in Kombination mit einem selbstständigen Beweisverfahren für das einstweilige Verfügungsverfahren. Damit der Beschuldigte kein Beweismaterial vernichten kann, wird die Besichtigung ohne Ankündigung – flankiert durch eine Duldungsverfügung – durchgesetzt, wie bei dem vorgenannten Quellcode-Besichtigungsverfahren sozusagen als „Überraschungsangriff“.
Die beschriebenen Verfahrensoptionen liefern dem Schutzrechtsinhaber ein effizientes und schnelles Instrument der Informationsgewinnung. Dieses Procedere wird zudem durch die noch in deutsches Recht umzusetzende sogenannte EU-Enforcement-Richtlinie bestärkt. Werden bei der Besichtigung Informationen zur Rechtsverletzung zutage gefördert, kann der Schutzrechtsinhaber unmittelbar im Wege von Abmahnung und einstweiliger Verfügung den Unterlassungsanspruch durchsetzen und sich zur Glaubhaftmachung auf die Ergebnisse des Besichtigungsverfahrens beziehen.
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