Internet World Business, 19/06, S. 10
Das Verfahren hatte für Aufmerksamkeit gesorgt: Das Landgericht Hamburg verpflichtete den Online-Nachrichtendienst Heise.de dazu, aktiv in allen Forenbeiträgen vor deren Veröffentlichung nach Rechtsverstößen zu forschen – eine Entscheidung, die der Heise-Verlag nicht akzeptieren wollte: Er ging in Berufung.
Auslöser des Rechtsstreits war ein kritischer Bericht über ein Unternehmen, bei dem rechtsverletzende Äußerungen im an die Berichterstattung anknüpfenden Forum erfolgt waren. Jetzt liegt hierzu die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vor. Das OLG bestätigte im Ergebnis zwar die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Hamburg, entschied aber, dass ein Forenbetreiber nicht grundsätzlich eine Pflicht zur Überprüfung hat (Az.: 7 U 50/06).
Urteilsanalyse
Die Hamburger Richter urteilten in einem ausgewogenen und gut begründeten Urteil, dass eine generelle Überprüfungspflicht ohne konkreten Anlass nicht besteht. Unabhängig davon, dass der Forenbetreiber bei Bekanntwerden (offensichtlich) rechtswidriger Inhalte die entsprechenden Beiträge zu entfernen habe, gelte dies auch dann, wenn die Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen drohe.
In Gegenüberstellung der widerstreitenden Grundsätze von Meinungs-/Pressefreiheit und dem jeweiligen Persönlichkeitsrecht beziehungsweise Schutz des Eigentums hielt der Senat eine spezielle Überprüfungspflicht des Betreibers dann für angemessen, „wenn dieser entweder durch sein eigenes Verhalten vorhersehbar rechtswidrige Beiträge provoziert oder wenn ihm bereits mindestens eine Rechtsverletzung von einigem Gewicht im Rahmen des Forums bekannt geworden ist und sich damit die Gefahr weiterer Rechtsverletzungshandlungen durch Einzelnutzer bereits konkretisiert hat“. Das Urteil stellt somit auf Grundrechtsebene einen Interessenausgleich dar, der sowohl praktikabel als auch in angemessenem Umfang den Schutz der sich gegenüberstehenden Grundrechte gewährleistet.
Praxistipp
Aus der Entscheidung des OLG Hamburg ergibt sich, dass eine generelle Überwachungspflicht für Forenbetreiber nicht besteht. Auch wenn hierüber der Bundesgerichtshof höchstrichterlich noch nicht entschieden hat, dürfte dies als die herrschende Rechtsmeinung anzusehen sein. Von einigen Gerichten wurde sie bislang auch bestätigt.
Für den Forenbetreiber bedeutet das Urteil in der Praxis weiter, dass er – wie bisher – auf einen entsprechenden Hinweis eines Verletzten unmittelbar zu reagieren hat und (offensichtlich) rechtsverletzende Inhalte aus seinem Forum beseitigen muss. Zwar kann im Einzelfall immer noch streitig sein, ob überhaupt die Voraussetzungen einer Rechtsverletzung vorliegen; der Forenbetreiber tut indes jedoch gut daran, sein eigenes Risiko zu reduzieren, denn der unmittelbare Verletzer, also derjenige, der den betreffenden Beitrag verfasst hat, scheidet meistens aufgrund der Anonymität der Forumsbeiträge aus.
Neu ist allerdings, dass der Forenbetreiber quasi aufgrund einer eigenen Prognose zu entscheiden hat, ob angesichts des bisherigen Diskussionsverlaufs im jeweiligen Forum oder aufgrund anderer Umstände mit weiteren Rechtsverletzungen zu rechnen sein wird. Besteht hierfür eine gewisse Wahrscheinlichkeit, muss der Betreiber nach Auffassung der Hamburger Richter nunmehr das betreffende Forum überwachen und offensichtlich rechtswidrige Beiträge von sich aus löschen.
Wie engmaschig die Überprüfung sein muss, richtet sich nach dem jeweiligen Einzelfall. Das Gericht wies im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall jedoch darauf hin, dass das fragliche Forum im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit betrieben worden sei, sodass in diesem Fall eine „Überwachung eher zuzumuten“ sei „als dem privaten Betreiber eines solchen Forums“.
Gewerbliche Anbieter sollten eine engmaschige Prüfung mit kurzen Überprüfungszyklen sicherstellen. In kritischen Threads sollte alle paar Stunden nach dem Rechten gesehen werden, zumindest aber nicht seltener als einmal pro Tag.
Rauschhofer Social