Beitrag in der internet world 04/03, S. 20
Das Landgericht München hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und in welchem Umfang ein Internetserviceprovider (ISP) dafür haftet, dass ein im Ausland ansässiger Kunde als Verletzer von Kennzeichenrechten eine Domain nicht freigibt (Az.: 1HK O 16598/01).
Sachverhalt und Urteilsgründe:
Ein in Großbritannien ansässiger Kunde des verklagten ISP betreute zunächst die Website und Domain der Klägerin. Nachdem es zu Auseinandersetzungen kam, im Rahmen derer der Kunde des ISP für die Übertragung der Domain von der Klägerin einen Geldbetrag forderte, erwirkte die Klägerin aufgrund ihres Kennzeichenrechtes gegen den Kunden eine einstweilige Verfügung, wogegen dieser sich jedoch widersetzte. Unter Hinweis auf ihr Kennzeichenrecht und die einstweilige Verfügung forderte die Klägerin nunmehr den ISP auf, die Dekonnektierung der Domain zu veranlassen und setzte ihm eine Frist zur Freigabe der Domain, die jedoch verstrich.
In der Folgezeit gab der ISP nach Klageerhebung durch die Klägerin die Domain frei. Das Gericht stellte fest, dass der ISP als Mitstörer zur Freigabe der Domain verpflichtet gewesen ist und für etwaige Schäden haftet.
Die Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin gegenüber dem Provider durch Vorlage der einstweiligen Verfügung und zusätzliche Nachweise ihr Kennzeichenrecht schlüssig dokumentiert hat und keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass dem Kunden des ISP ebenfalls Rechte aus Firmen-, Marken- oder Namensrechten zustehen könnten. Dem Provider sei insbesondere klar gewesen, dass bereits ein Gericht nach Prüfung des Sachverhalts und der Rechtslage zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Klägerin gegenüber seinem Kunden die besseren Rechte zustanden.
Die festgestellten Schadensersatzansprüche wurden mit der bedingt vorsätzlichen Beihilfe zu der von dem Kunden begangenen Kennzeichenverletzung begründet.
Urteilsanalyse:
Zunächst dürfte das Urteil manchen ISP erschrecken, da eine Haftung für Kunden durch dieses Urteil im Raume steht. Eine generelle Anwendbarkeit scheidet indes aus der dargestellten Differenzierung des Gerichts aus. Maßgeblich war, dass sich der Kunde einer einstweiligen Verfügung in vergleichsweise sicherer Entfernung aus dem Ausland widersetzte sowie keine Rechte auf Seiten des ISP-Kunden erkennbar waren, die dem klägerischen Anspruch hätten entgegengesetzt werden können.
Für klare Fallkonstellationen, insbesondere offensichtliche Fälle des Domain-Grabbing, bei denen erste gerichtliche Feststellungen gegen den ISP-Kunden vorliegen, lässt sich auf Grund der technischen Verfügungsgewalt des ISP mit der Argumentation des Gerichts die Haftung als kennzeichenrechtlicher Mitstörer jedenfalls dann begründen, wenn keine Gegenrechte ersichtlich sind und sich der Kunde einer gerichtlichen Entscheidung widersetzt.
Praxistipp:
Im Falle einer Inanspruchnahme durch Dritte sollten ISPs keinesfalls in Panik verfallen und ohne weiteres eine Domain freigeben, da dies ebenfalls zu Schadenersatzansprüchen des Kunden gegen den ISP führen kann. Auch sei ergänzt, dass eine einstweilige Verfügung zunächst nur eine vorläufige Regelung darstellt. Gleichzeitig sollten ISPs sich bei ihrem Kunden jedoch über eventuellen Gegenrechte versichern und sicherstellen, dass der Kunde sie von etwaigen Ansprüchen Dritter freistellt.
Links zum Thema:
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Bereich Domain-Recht
DM-Beitrag Domainrecht Teil 4
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