Internetworld 07/03, S. 18
Das Domain-Streitverfahren vor der Welturheberrechtsorganisation in Genf (WIPO) bietet als Alternative zur Auseinandersetzung vor staatlichen Gerichten je nach Fallgestaltung die Möglichkeit, einer schnellen Durchsetzung von Freigabeansprüchen.
Statthaft ist das WIPO-Verfahren für generische TLDs wie .com, .net oder .org sowie für derzeit 32 Country-Code-TLDs wie ag. oder .tv.
Anders als in Verfahren nach dem deutschen oder europäischen Markenrecht muss für eine Übertragung zu einer Verwechslungsgefahr der Domain mit Marken oder Geschäftsbezeichnungen zusätzlich auch eine Registrierung in bösgläubiger Absicht festgestellt werden.
Weiterhin hat ein Beschwerdeführer bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten im Rahmen der Verwechslungsgefahr neben den zur Begründung erforderlichen Fakten auch grundsätzlich die territoriale Schutzrechtserstreckung seines Kennzeichens zu belegen.
Folgerichtig kann beispielsweise der Inhaber einer EU-Marke dann gegen einen Domain-Inhaber vorgehen, wenn sich eine über die streitgegenständliche Domain erreichbarer Website auch an Nutzer innerhalb der Europäischen Union als Verletzungsort wendet. Gleiches gilt mit einem reduzierten territorialen Schutz für Inlandsmarken bzw. nur in Deutschland tätige Unternehmen, woraus sich erklärt, dass das Verfahren aus dieser Voraussetzung bedingt eher bei international ausgerichteten Unternehmen mit entsprechenden Schutzbereichen genutzt wird.
Der Gang des Verfahrens lässt sich zusammengefasst dahingehend beschreiben, dass ein ein- oder dreiköpfiges Schiedsgericht („Panel“) nach dem Einreichen der sog. „Complaint“ durch den Beschwerdeführer innerhalb von 14 Tagen nach seiner Ernennung entscheidet, ob eine Rechtsverletzung vorliegt. Das Verfahren dauert insgesamt im Schnitt nur etwa sechs Wochen.
Die vom Beschwerdeführer zu tragenden Verfahrenskosten richten sich nach der Anzahl der Domains und der Schiedsrichter. Sie betragen bei bis zu fünf Domains und einem Schiedsrichter US$ 1.500,-, bei einem dreiköpfigen Panel dagegen US$ 4.000,-.
Der Unterschied zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung besteht im Ergebnis insbesondere darin, dass es sich um kein vollstreckbares Urteil handelt und keine Entscheidung über die Verfahrenskosten ergeht. Durch die vertragliche Verpflichtung der Registrare gegenüber der ICANN sind diese jedoch verpflichtet, den Schiedsspruch der WIPO nach den UDRP anzuerkennen und umzusetzen.
Der Nachteil der fehlenden Vollstreckbarkeit kann sich auf Aktivseite im Obsiegensfalle indes in Fallkonstellationen internationaler Ausrichtung auch als Vorteil offenbaren, da nicht bi- oder multilaterale Zustellungs- und Vollstreckungsabkommen bemüht werden müssen, sondern die Verpflichtung zur Umsetzung der jeweiligen Provider durch den ICANN-Vertrag besteht und daher grenzüberschreitend greift.
Es fällt schwer, einen allgemeingültigen Praxistipp abzugeben, da es auf die jeweilige Fallkonstellation ankommt. Nicht selten lassen sich auch internationale Streitigkeiten ohne Eskalation außerhalb eines förmlichen Verfahrens erledigen. Hat indes der Domain-Inhaber seinen Sitz in einem für eine gerichtliche Geltendmachung und vor allem für eine Vollstreckung „schwer zugänglichem“ Gebiet, empfiehlt sich das WIPO-Verfahren. Reagiert der Gegner nicht innerhalb der zwanzigtätigen Stellungnahmefrist entscheidet das Panel aufgrund der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fakten, so dass bei Reaktionslosigkeit häufig ein schneller Erfolg gewährleistet wird.
Findet man sich dagegen als Beschwerdegegner in einem solchen Verfahren wieder, besteht sowohl während als auch innerhalb einer Frist von 10 Tagen nach der Mitteilung der Panel-Entscheidung die Möglichkeit, die Rechtshängigkeit bei einem staatlichen Gericht einzuwenden. In diesem Fall unterbleibt die Vollziehung der Entscheidung bis zum Nachweis des Beschwerdeführers, dass die Klage des Domain-Inhabers abgewiesen wurde oder der Konflikt durch Vergleich oder Zurücknahme der Klage erledigt worden ist.
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