Vorangestellt sei, daß dieser Kurzbeitrag nicht den Anspruch erhebt, eine vollständige Aufstellung und Diskussion der sich um das Jahr-2000-Problem rankenden Rechtsmeinungen zu enthalten.
Ziel und Zweck dieses Beitrages ist es, eine Übersicht über die rechtliche Diskussion zu geben.
I. Einleitung
Die technischen Umstände des Jahr-2000-Problems werden als bekannt vorausgesetzt. Mittlerweile wurde in nahezu jedem Kommunikationsmedium darüber berichtet, daß zur Zeit des knappen Speicherraums anstelle der Jahreszahl nur die zwei letzten Ziffern eingesetzt wurden. Dies gilt sowohl für hergestellte Hard- als auch Software.
Spannend jedoch für die Hersteller und Kunden ist die Frage, ob Kunden von Herstellern die Beseitigung etwaiger Jahr-2000-Inkompatibilität verlangen können oder ob diese sich auf etwaige Verjährungsvorschriften zurückziehen können.
II. Streitstand
Regelmäßig wird beim Kauf von Standardsoft- und Hardware von einem Kaufvertrag auszugehen sein, so daß sich etwaige Ansprüche aus dem kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht ergeben können.
1.
Diskutiert wird hierbei als erste Tatbestandsvoraussetzung das Vorliegen eines Fehlers im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB.
Die meisten Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß jedenfalls ein Fehler nach vorgenannter Vorschrift vorliegt, wobei die Ansätze verschieden sind.
Zum einen wird hier angenommen, daß die Fehlereigenschaft sich daraus begründet, daß technische Normen nicht eingehalten wurden. Nach einer weit verbreiteten Ansicht soll ab dem 01.01.1995 spätestens, in der EDV-Branche bereits ab 1993/1994, bekannt gewesen sein, daß das Jahr-2000-Problem besteht. Wurde also nach diesem Zeitpunkt Hard- oder Software ausgeliefert, die nicht 2000-fest gewesen ist, fehlte es an der Einhaltung technischer Normen, so daß sich daraus schon bei Gefahrenübergang die Mangelhaftigkeit ergebe.
Zum anderen wird der Fehler darin gesehen, daß in der fehlenden Jahr-2000-Konformität ein neuer Fall des rechtlich bekannten Szenarios des latenten Mangels zu sehen sei.
Im Ergebnis jedenfalls wird die Mangelhaftigkeit einer nicht Jahr-2000-fähigen Soft- oder Hardware anzunehmen sein, soweit sie nach dem 01.01.1995 ausgeliefert wurde.
Hauptproblem der rechtlichen Diskussion ist, daß gemäß § 477 BGB Gewährleistungsansprüche grundsätzlich nach sechs Monaten verjähren, so daß in den meisten Fällen Gewährleistungsansprüchen die Einrede der Verjährung entgegenstünden. Einschneidender sind darüberhinaus die handelsrechtlichen Rügepflichten nach § 377 HGB, deren Versäumung zu einem Verlust der Gewährleistungsansprüche folgt.
Diese Problematik läßt sich dadurch überbrücken, daß dem Verkäufer solcher Soft- oder Hardware für Gegenstände, die nach dem 01.01.1995 ausgeliefert wurden, ein arglistiges Verschweigen der fehlenden 2000-Festigkeit zu unterstellen sein kann. Hierbei soll in Annäherung an eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1992 für das Vorliegen von Arglist ausreichen, daß der Käufer die unzureichende Organisation der Arbeitsüberwachung belegen muß, wozu er Indizien, wie einen gravierenden Mangel an einem besonders wichtigen Bauteil, benutzen darf.
Folgt man dieser Ansicht, besteht ein Anspruch auch auf Arglisthaftung gegen Verkäufer nicht 2000-fester Soft- und Hardware ab dem Jahre 1995.
Ergänzend ist hierbei zu berücksichtigen, daß auch beim Handelskauf die Versäumung der rechzeitigen Rüge nicht für Arglistfälle gilt (§ 377 Abs. 5 HGB).
Auf Verkäuferseite ließe sich nur das Rechtsinstitut der Verwirkung der Gewährleistung entgegenhalten, wobei auch hier darauf hinzuweisen ist, daß die Rechtsfrage weit davon entfernt ist, abschließend geklärt zu sein. Diskutiert wird für die Annahme der Verwirkung, daß etwa ein Jahr nach Kenntniserlangung der Mangel nicht geltend gemacht wurde.
2.
Unabhängig von der vertraglichen Haftung müssen sich neben Verkäufern auch Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz bei fehlender Jahr-2000-Festigkeit Ansprüchen ausgesetzt sehen.
Zwar sind nach dem ProdHaftG keine Schäden am Produkt selbst erfaßt. Jedoch läßt sich hier argumentieren, daß beispielsweise eine Datenbank als „andere Sache“ im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG anzusehen sein könne. Für einen Anspruch aus Produkthaftung ist nicht erforderlich, daß dem Verkäufer ein Verschulden nachgewiesen wird.
Ein Verschulden ist dann erforderlich, wenn ein Anspruch auf unerlaubte Handlung gemäß § 823 BGB gestützt werden soll. Ein solcher Anspruch käme unter dem Gesichtspunkt der Produktbeobachtungspflicht in Betracht, wonach ein Hersteller ab dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens seine Produkte sowie Fremdprodukte, die als Zubehör dienen können, zu beobachten hat. Bei der Produzentenhaftung wird über die Produktbeobachtungspflicht die Haftung demnach selbst dann ausgelöst, wenn eine Änderung des Standes von Wissenschaft und Technik zwischen dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens und dem Schadenseintritt stattfindet.
Sollte es zu einem Schadenseintritt kommen, muß sich jedoch nach diesseitiger Ansicht auch der Käufer gemäß § 254 BGB ein Mitverschulden anrechnen lassen, soweit er Kenntnis und Möglichkeit hatte, den Schaden abzuwenden oder zumindest gering zu halten. Allen voran sind hier Pflichten zur Datensicherung zu nennen.
Zusätzlich wird diskutiert, daß ein Mitverschulden in Betracht käme, wenn sich der Käufer nicht rechtzeitig um die Umstellung gekümmert bzw. diese zu spät in Angriff genommen hat.
3.
Unabhängig von den kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüchen und Ansprüchen aus Produkthaftung bzw. Delikt kommen weitere Ansprüche in Betracht, wenn ein Softwarewartungsvertrag besteht. Wesentlicher Grund für die Verbindung des Kaufes von Software mit einer Softwarepflegevereinbarung ist, daß nach den anerkannten Regeln der Technik und der Verkehrsauffassung Software nur in den seltensten Ausnahmefällen bei Lieferung mangelfrei ist.
Aus dieser Softwarepflegevereinbarung läßt sich herleiten, daß insbesondere für ausgelieferte nicht Jahr-2000-konforme Software auf Grundlage der Softwarepflegevereinbarung eine Pflicht besteht, eine 2000-Konformität herzustellen.
Zusätzlich könnte Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung beansprucht werden, wenn sich der Verkäufer durch vorzeitige Kündigung aus der Verpflichtung zur Herstellung der Jahr-2000-Konformität zu entziehen versucht. Ein gleichgelagerter Anspruch käme aus Aufklärungspflichtverletzung ebenso in Betracht, wenn der Verkäufer bei einer vom Käufer veranlaßten Beendigung der Softwarepflegevereinbarung nicht auf die Notwendigkeit der noch möglichen Herstellung der Jahr-2000-Konformität hinweist und seine Leistung dafür anbietet.
III. Zusammenfassung
Als Ergebnis ist festzuhalten, daß sich Verkäufer vertraglichen wie gesetzlichen Haftungen ausgesetzt sehen müssen.
Käufer von Standartsoft- und Hardware tragen jedoch bei nicht rechtzeitig geltend gemachten Ansprüchen das Risiko, daß ihnen Verwirkung entgegengehalten werden könnte. Gleichzeitig kann ein Mitverschulden des Käufers darin zu berücksichtigen sein, daß dieser sich entweder nicht rechtzeitig um die Umstellung kümmert, diese zu spät begonnen hat oder es unterläßt, den Schaden durch beispielsweise Datensicherung so gering wie möglich zu halten.
In der Praxis bleibt hier zusätzlich die unbefriedigende Besonderheit, daß im Nichteinigungsfalle die Klage des Käufers gegen den Verkäufer auf Herstellung der Jahr-2000-Konformität faktisch zu keinem Erfolg führen kann, da ein solches Verfahren erst nach der Jahrtausendgrenze zu einem Ergebnis führen würde.
Da eine solche Lösung für beide Seiten unbefriedigend erscheinen muß – der Käufer hat eine mangelhafte, nicht Jahr-2000-fähige Software, der Verkäufer muß Schadensersatz leisten – erscheint es sinnvoll, unter Darlegung der Rechtspositionen eine außergerichtlich für beide Seiten tragbare Lösung herzustellen, die beispielsweise in einer Kostenaufteilung des Aufwands bestehen könnte, der für die Herstellung der Jahr-2000-Festigkeit erforderlich ist.
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