Internet World Business, 24-2008, Seite 10
Darf ein Unternehmen, das Dutzende von anderen Firmen wegen eines identischen Verstoßes abmahnt, von jedem der Abgemahnten die vollen Anwaltskosten verlangen? Schließlich, so möchte man meinen, fällt der anwaltliche Aufwand im Grunde ja nur einmal an, zumal dann, wenn das abmahnende Unternehmen eine eigene Rechtsabteilung hat. Diese Frage beantwortet ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: I ZR 219/05). Der BGH verurteilte den Anbieter einer Software, mit der man gesetzeswidrig Kopierschutzmechanismen umgehen kann, zur Zahlung von Abmahnkosten. Im entschiedenen Fall ging es um die Kosten einer rechtsanwaltlichen Abmahnung, die durch ein Unternehmen veranlasst wurde, das in Hunderten von Fällen wortgleiche Abmahnungen versandte.
Der I. Zivilsenat bestätigte auch in diesem Fall die Rechtmäßigkeit eines Anspruchs auf Ersatz der Anwaltskosten bei einem Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH dürfen Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung einen Rechtsanwalt mit der Abmahnung von Wettbewerbsverstößen beauftragen und demgemäß auch die entstandenen Anwaltskosten verlangen (Az.: I ZR 83/06, INTERNET WORLD Business Ausgabe 11/2008, Seite 10). Die diesbezüglichen Grundsätze wandten die Richter nun auch auf Urheberrechtsverstöße an, da es nicht Aufgabe eines Unternehmens sei, Mitbewerber zu überprüfen.
Dem Einwand des Abgemahnten, wonach es sich über Hunderte wortgleicher Abmahnungen handelte, begegnete der BGH, indem er gerade wegen dieser großen Zahl der zu verfolgenden Rechtsverletzungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts für erforderlich hielt, da „die Verfolgung von Urheberrechtsverstößen nicht zu den originären Aufgaben der Beklagten gehört“.
Urteilsanalyse und Praxistipp
Infolge des Abmahn(un-)wesens besteht nicht selten Unsicherheit darüber, wann und unter welchen Umständen Abmahnkosten verlangt werden können.
Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten bei einem Unternehmen ist auch im Falle einer eigenen Rechtsabteilung, dass ein Rechtsverstoß vorliegt. „Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten beruht auf der Erwägung, dass die berechtigte Abmahnung dem Schuldner zum Vorteil gereicht“, sagen die BGH-Richter, „weil der Gläubiger, der zunächst abmahnt, statt sofort Klage zu erheben, dem Schuldner damit die Möglichkeit gibt eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden.“
Ausgenommen von einer Erstattungsfähigkeit sind jedoch die Gebühren eines Rechtsanwalts aus einem sich selbst erteilten Mandat zur Abmahnung aufgrund eigener wettbewerbsrechtlicher Ansprüche (BGH GRUR 2004, 789 Az.: I ZR 2/03).
Entscheidend für einen Anspruch dem Grunde nach ist somit zunächst das Vorliegen einer Rechtsverletzung. In welcher Höhe dann Ansprüche begründet sind, richtet sich nach der Angemessenheit des Streitwerts, der bei Markensachen auch bei unbenutzten Marken schnell 50.000 bis 60.000 Euro betragen kann.
Seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zum Schutz geistigen Eigentums“ am 1. September 2008 sind die Abmahnkosten für „einfach gelagerte“ Fälle mit einer „unerheblichen Rechtsverletzung“ außerhalb des „geschäftlichen Verkehrs“ auf 100 Euro gedeckelt worden. Verlässt die Tätigkeit, insbesondere durch gewerbliche Angebote, dagegen den Schutzkreis dieser neuen Vorschrift, richtet sich die Erstattungsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften.
Bei eindeutigen, indes nicht so gravierenden Rechtsverletzungen lohnt es sich häufig, eine kooperative und schnelle Lösung anzubieten, um über den Weg der Anwaltskostenerstattung einen Verzicht auf Schadensersatzansprüche zu erreichen. Zeigt sich indes ein Rechtsverletzer hartnäckig, muss er mit der ganzen Palette von einstweiliger Verfügung und Klage auf Schadensersatz rechnen.
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