I. Einleitung
Die Schiedsgerichtsbarkeit ist fast so alt, wie die Geschichte der zivilisierten Völker.
Im Jahre 1926 stellte dazu der ehemalige Kammergerichtspräsident von Staff fest:
„Als sich in Urzeiten die Erkenntnis herausbildete, dass für die Beziehung einzelner zueinander zu allgemeinem Nutzen doch ein anderer Maßstab gefunden werden müßte, als die brutale Macht und nackte Gewalt, da war der erste Schritt zu Regelung dieser Beziehung durch feste, anerkannte Rechtsnormen getan“[1].
1. Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit
Wann die Schiedsgerichtsbarkeit Ihren Anfang nahm, ist schwer zu belegen.
Bereits im klassischen Griechenland wurde zwischen den Streitteilen ein Vertrag – Symbolon – geschlossen. Die Schiedsrichter bestimmten Zeit und Ort, die Parteien sendeten ihre Beauftragten -syndikoi – und verpflichteten sich eidlich zur Verfolgung des Spruches[2].
Im Mittelalter lag es für die Weltanschauung nahe, die Gottheit selbst zu unmittelbarem Eingreifen als Schiedsrichter anzurufen. Ein Beispiel für eine solche schiedsgerichtliche Beendigung eines Streites findet sich im 14. Jahrhundert, als zwei Clans in den Schottischen Highlands durch einen Zweikampf ihrer besten Krieger unter Anrufung Gottes den Streitentscheid herbeiführten[3].
Im christlichen Mittelalter wurden die erleuchteten Vertreter der Gottheiten – die Päpste – als Schiedsrichter angerufen[4]. Bekannt ist, dass sich für das dabei zu beobachtende Verfahren feste Regeln gebildet hatten, die an die gegenwärtigen Normen anklingen[5].
Vom Mittelalter bis zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit war es ein langer Weg, der über die Bestimmungen für Schiedsgerichte in „Verfahren in Merkantil- oder Meß- und Handlungs- desgl. Assekuranzsachen“ im Preußen des ausgehenden 18. Jahrhunderts[6] und die gesetzliche Regelung der deutschen Zivilprozeßordnung (ZPO) am 1. Oktober 1879[7], bis zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit führten.
2. Ausbau der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
Bedingt durch technische Entwicklungen, die zu einer Steigerung internationaler Kommunikation und Mobilität führten, machte das damit verbundene Wachstum im internationalen Warenverkehr Regelungen für Streitfälle erforderlich.
Da die Streitaustragung vor nationalen Gerichten jeweils von der nicht dort ansässigen Partei mit Mißtrauen gegen ein fremdes Rechtssystem gesehen wurde[8], war es für den internationalen Handelsverkehr wichtig, dass eine diesbezüglich neutrale Stelle Streitigkeiten entscheidet. Gleichzeitig gewannen Schiedsgerichte – und das gilt bis heute – dadurch an Attraktivität, dass mit wirtschaftlichen Sachverhalten vertraute sowie entsprechenden Spezialkenntnissen versehene Schiedsrichter zur Entscheidung berufen werden[9].
Mit der Gründung der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC[10]) nach dem ersten Weltkrieg, die im Jahre 1922 ein internationales Schiedsgericht einsetzte[11], wuchs die internationale Schiedsgerichtsbarkeit ganz erheblich in ihrer Bedeutung. Die Schiedsgerichtsordnung der ICC war lange Zeit Vorbild für alle anderen Institutionen[12], wie beispielsweise der London Court of International Arbitration (LCIA), das Internationale Schiedsgericht der Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft in Wien oder die American Arbitration Association (AAA).
Entscheidend für die Ausbreitung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit waren in erster Linie multilaterale Abkommen, die die Anerkennung von Schiedsverträgen und Vollstreckung von Schiedssprüchen im internationalen Bereich regeln[13].
Das Genfer Protokoll vom 24.9.1923[14] machte den ersten Versuch zur Regelung des Schiedsgerichtswesens, an das sich das Genfer Abkommen vom 26.9.1927[15] über die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen im Ausland anschloß[16]. Nach Art. 3 des Genfer Protokolls übernimmt jeder Vertragsstaat die Verpflichtung, dass die Vollstreckung der auf seinem Gebiet nach den Art. 1 und 2 erlassenen Schiedssprüche durch seine Behörde nach Maßgabe seiner Landesgesetzgebung anerkannt wird.
Einen weiteren großen „Sprung“ machte die internationale Schiedsgerichtsbarkeit durch das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958[17], die sogenannte „New York Convention“, mit dem im Wege eines multilateralen Vertrages die Vollstreckbarkeit von internationalen Schiedssprüchen durch die Vertragsstaaten anerkannt wurde. Hier regelt Art. 3 die völkerechtliche Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Anerkennung und Vollstreckung ordnungsgemäßer Schiedssprüche.
Eine wesentliche Erweiterung auf internationaler Ebene erfuhr das Schiedsverfahrensrecht durch die Schaffung diverser UNCITRAL Regelungen, die nachstehend erläutert werden.
B. Regelungen durch die UNCITRAL
Voraussetzung für eine Anerkennung von Schiedssprüchen war und ist die ordnungsgemäße Durchführung von Schiedsgerichtsverfahren. Diese wurden bis 1976 im internationalen Bereich hauptsächlich von institutionellen Schiedsgerichten, wie ICC oder LCIA, durchgeführt. Solche Schiedsgerichten sind „vorfabrizierte“ Schiedsgerichte in dem Sinne, dass sie den Parteien eine regelmäßig nicht oder nur begrenzt abänderbare Schiedsgerichtsordnung, eine Organisation für die Durchführung von Schiedsverfahren zur Verfügung stellen und das Rechtsverhältnis zu den Schiedsrichtern, insbesondere im Hinblick auf die Honorarfrage, regeln[18].
Den institutionellen Schiedsgerichten immanent ist die Tatsache, dass Schiedsverfahren durch die Institutionen organisiert und beaufsichtigt – administriert – werden. Um eine Administrierung durch die jeweilige Institution zu erreichen wurde deren Administrierung im Rahmen der Schiedsgerichtsordnungen fest verankert[19].
Da im internationalen Handelsverkehr jedoch Bedarf bestand, eine Schiedsgerichtsordnung zu schaffen, die nicht zu einer zwingenden Einbindung einer Institution führt, schuf die United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) die UNCITRAL Arbitration Rules (UAR)[20], die nach 19 Committee-Sitzungen und drei Vollversammlungen am 15.12.1976 angenommen wurden[21].
Bei der Entwicklung der UAR lag die Überlegung zugrunde, dass die Schiedsgerichtsordnung der bestehenden Schiedsinstitutionen auf die Verhältnisse der Industriestaaten ausgerichtet sei, so dass der Versuch unternommen wurde, eine Schiedsgerichtsordnung zu schaffen, die auch im Verhältnis zu Entwicklungsländern angewendet werden kann[22].
Neben verschiedenen noch zu beleuchtenden Vorteilen, die die UAR haben, erlangten sie dadurch Bekanntheit, dass sie als Schiedsgerichtsordnung in den Algerien-Verträgen über die Beendigung der US-Iranischen Geiselaffäre für das Tribunal in Den Haag vereinbart wurden[23].
Der Vollständigkeit halber erwähnt seien die im Jahre 1980 verabschiedeten UNCITRAL Conciliation Rules (UCR)[24], die Verfahrensregeln zur Schlichtung enthalten. International gewann dieses Schlichtungsverfahren jedoch nicht an herausragender Bedeutung, da diese nur dann sinnvoll angewendet werden, wenn die Parteien aufrichtig motiviert sind, einen Vergleich zu erzielen[25].
Nach Art. 2 Abs. 2 UCR beginnt das Schlichtungsverfahren, wenn eine Partei eine schriftliche Einladung zur Schlichtung unter Bezeichnung des Streitgegenstandes der anderen Partei übermittelt und die andere Partei diese Einladung annimmt. Weist die andere Partei diese Einladung zurück, endet damit das Schlichtungsverfahren (Art. 2 Abs. 3 UCR).
Eine bedeutsame, zu Recht kritisierte Auswirkung[26] auf ein späteres Schiedsverfahren haben die Conciliation Rules allerdings. Die Schlichtungsordnung schließt eine Person, die als Schlichter tätig geworden ist, für jedes spätere Schiedsverfahren aus (Art. 19 S. 1 UCR). Ebenfalls darf der Schlichter nach Satz 2 dieser Norm nicht als Zeuge in späteren Verfahren benannt werden.
Einen weitere Meilenstein in der Entwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit setzte die UNCITRAL mit der Verabschiedung ihres Modellgesetzes.
Nach dem mit den UAR gemachten Versuch, ein Regelwerk zur internationalen Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts zu schaffen, beschloß die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) am 11.12.1985 das UNCITRAL-Modellgesetz (MG) als weitere Entwicklung dieser Bestrebung. Auf dieses Mustergesetz wird unten näher eingegangen[27].
Schließlich entwickelte die UNCITRAL zur Ergänzung des Schiedsgerichtsverfahrens die Notes on Organizing Arbitral Proceedings (1996)[28]. Zweck dieser Empfehlung ist es den mit Schiedsgerichtsverfahren betrauten Personen speziell für das internationale Schiedsgerichtsverfahren eine Unterstützung zu einzelnen Problemkreisen zukommen zu lassen. Auch hier handelt es sich um eine unverbindliche Empfehlung, die insbesondere dem Schiedsgericht freistellt, ob es die Vorschläge berücksichtigt oder nicht[29]. Für die sich im Rahmen von Schiedsverfahren stellenden Fragen wurde ein Liste möglicher für die Organisation eines Schiedsverfahrens zu berücksichtigender Thematiken zusammengestellt. Hier werden beispielsweise Anregungen zum Kostenvorschuß für ein Schiedsverfahren gemacht werden, d.h. welche Aspekte für die Bemessung typischerweise relevant sein können[30].
C. Vorstellung der UNCITRAL-Regelwerke
Wegen deren besonderen Bedeutung für das internationale Schiedsverfahren, sollen nachfolgend die beiden wichtigsten Regelwerke von UAR und MG vorgestellt werden.
I. UNCITRAL Arbitration Rules
Die UNCITRAL Arbitration Rules (UAR) gehören zur sogenannten ad hoc Schiedsgerichtsbarkeit, weil die UNCITRAL als Unterorganisation keine Administrierungsaufgaben vornimmt.
Das ad hoc Schiedsgericht (Gelegenheitsschiedsgericht) wird dadurch gekennzeichnet, dass dem oder den Schiedsrichter(n) von den Parteien für einen bestimmten Streitfall Entscheidungsgewalt eingeräumt wird[31]. Die Parteien können dem Schiedsgericht die Verfahrensregeln vorschreiben. Seine Bestellung, der Schiedsrichtervertrag und die Verfahrensordnung unterliegen der Parteidisposition[32]. Das ad hoc Schiedsgerichtsverfahren ist damit unabhängig von Institutionen.
Wie alle Schiedsgerichtsordnungen stellen die UAR keinen internationalen Vertrag dar, sondern werden nur wirksam, wenn die Parteien ihre Anwendung vereinbaren[33].
Anders als etwa die New York Convention wurde mit den UAR ein Vorschlag erarbeitet, der als unverbindliche Empfehlung auf freiwilliger Basis von den vertragsschließenden Parteien übernommen werden kann[34].
Entsprechend der Thematik wird an dieser Stelle auf die Erörterung sämtlicher Einzelnormen im Detail verzichtet. Wichtige Regelungen werden exemplarisch herausgestellt, um einen generellen Überblick zu geben. Gleichzeitig werden erhebliche Unterschiede im Verhältnis zu administrierten Schiedsverfahren dargestellt.
1. Anwendbarkeit der UAR
Die Anwendbarkeit der Arbitration Rules setzt nach Art. 1 UAR einen schriftlichen Schiedsvertrag voraus, in dem die UAR vereinbart wurden. Mangels Definition genügt für das Tatbestandsmerkmal der Schriftlichkeit in Anlehnung an das UN-Übereinkommen von 1958 (UN-Übk.) ein Brief-, Telegramm- oder Fernschreibwechsel ohne übereinstimmende Unterschriften auf einer Urkunde. Ob elektronisch übermittelte Willenserklärungen wie E-Mails auch dem Schriftlichkeitserfordernis genügen, ist fraglich, kann jedoch wegen der thematischen Begrenzung hier nicht vertieft werden[35].
Im Geltungsbereich des UN-Übk. ist für die Schriftlichkeit die Besonderheit zu berücksichtigen, dass Art. II UN-Übk. in seinem Anwendungsbereich die Formvorschriften des nationalen Rechts verdrängt[36]. Dieser Vorrang gilt ebenfalls für die Formvorschriften des Art. I Abs. 2 Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961[37].
Konsequenz dessen ist die Formwirksamkeit für Schiedsvereinbarungen, die dem UN-Übk. unterfallen, auch wenn die Formvorschriften des § 1031 ZPO nicht gewahrt sind.
Zu ergänzen ist weiterhin, dass – anders als beispielsweise im UNCITRAL-Modellgesetz[38] – weder eine Beschränkung hinsichtlich der Schiedsfähigkeit des Streitgegenstandes noch bezüglich der Beteiligung der Parteien erfolgt[39].
Auch muß es sich nicht um eine internationale Streitigkeit handeln, so dass auch Parteien gleicher Nationalität Streitfälle über die UAR abwickeln können[40].
Als Musterschiedsklausel wird für die Vereinbarung der UAR empfohlen:
„Jede Streitigkeit, Meinungsverschiedenheit oder jeder Anspruch, die sich aus diesem Vertrag ergeben oder sich auf diesen Vertrag, seine Verletzung, seine Auflösung oder Nichtigkeit beziehen, sind durch ein Schiedsverfahren nach der UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung in ihrer derzeit geltenden Fassung zu regeln“[41].
Sinnvoll ist es im Rahmen einer solchen Vereinbarung auch die zu ernennende Stelle für das Schiedsgericht sowie zumindest Ort des Schiedsverfahrens und dessen Sprache(n) festzulegen, da ansonsten ein erheblicher Zeitverlust drohen kann.
2. Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens
Die als „Schiedsanhängigkeit“ bezeichenbare[42] Einleitung des Schiedsverfahrens beginnt nach Art. 3 Abs. 1 UAR mit der Benachrichtigung des Klägers an den Beklagten, dass er hiermit das Schiedsverfahren einleite.
Wichtiges Unterscheidungskriterium des UNCITRAL ad hoc Verfahrens zum administrierten Verfahren ist hierbei, dass das Schiedsverfahren gemäß Art. 3 Abs. 2 UAR erst mit Zugang dieser Benachrichtigung beim Beklagten beginnt, was beispielsweise für die Verjährung von Bedeutung ist (vergl. § 220 BGB).
Läßt sich eine Zustellung nur mit Schwierigkeiten bewerkstelligen kann durch Verzögerung bereits die Verjährung von Ansprüchen eingetreten sein.
Zum Vergleich reicht es nach den ICC-Rules dagegen aus, wenn der Request of Arbitration beim Sekretariat des Schiedsgerichtshofes in Paris eingegangen ist, auch wenn die Zuleitung an den Beklagten noch nicht erfolge[43].
3. Festlegung des Schiedsgerichtssitzes
Für die Parteien hat der Schiedsgerichtssitz große Bedeutung, denn er bestimmt zunächst das anwendbare Schiedsprozeßrecht[44]. Da regelmäßig einem aus dem Sitzland entstammenden Schiedsgerichtsvorsitzenden die Einhaltung der Prozeßrechtsbestimmungen am leichtesten fallen wird, kann der Sitz des Schiedsgerichts damit indirekt Einfluß auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts haben[45].
Wird in der Schiedsgerichtsvereinbarung der Ort des Schiedsverfahrens nicht bestimmt, so wird dieser nach Art. 16 Abs. 1 UAR vom Schiedsgericht selbst festgelegt.
4. Konstituierung und Zusammensetzung des Schiedsgerichts
Die Zahl der Schiedsrichter bestimmt sich in Ermangelung einer Parteivereinbarung auf drei (Art. 5 UAR).
Wichtigster Verfahrensschritt nach Klageerhebung ist die Konstituierung des Schiedsgerichtstribunals.
Sind drei Schiedsrichter zu bestellen, hat jede Partei einen Schiedsrichter zu benennen. Die beiden so bestellten Schiedsrichter wählen dann den Vorsitzenden (Art. 7 UAR).
Bei der Vereinbarung von nur einem Schiedsrichter haben sich die Parteien darüber zu verständigen.
Kommt eine Einigung zwischen den zwei bestellten Schiedsrichtern bzw. Parteien über die Person des Vorsitzenden bzw. Einzelschiedsrichters nicht zustande, bedarf es der Bestimmung durch die „ernennende“ Stelle, der sog. „Appointing Authority“. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine der Schiedsgerichtsinstitutionen, da diese für die Auswahl von Schiedsrichtern die meiste Erfahrung besitzen[46].
In Ermangelung der Vereinbarung einer Appointing Authority oder bei einer fehlenden Einigung der Parteien über diejenige Institution, die die Benennung vornehmen soll, erfolgt eine Bestimmung der „ernennenden“ Stelle durch den Generalsekretär des ständigen Schiedsgerichts in Den Haag auf das Ersuchen einer Partei (Art. 6 Nr. 2 UAR).
Die „ernennende“ Stelle hat nachfolgend den Parteien eine Liste mit Vorschlägen zur Stellungnahme zu Übersenden[47].
5. Verfahren und anwendbares Recht
Wie oben erläutert, werden Verfahrensort und Verfahrenssprache vom Schiedsgericht nach eigenem Ermessen bestimmt (Art. 16, 17 UAR), sofern die Parteien hierüber nicht ausdrücklich etwas vereinbart haben[48].
Anders als beispielsweise im ICC-Verfahren, nach dem die Vorschußzahlung der Hälfte der Kosten Voraussetzung für die Übersendung der Akte an das Tribunal ist, kann das ad hoc Schiedsgericht nach Art. 41 UAR einen Kostenvorschuß denknotwendig erst nach dessen Konstituierung einfordern[49].
Das Verfahrensrecht selbst ergibt sich aus den UAR und bestimmt sich im übrigen ebenfalls nach dem freien Ermessen des Schiedsgerichts (Art. 15). Neben der Beschränkung durch die UAR unterliegt das Ermessen nur den Grenzen des ordre public, d.h. den Beschränkungen durch die guten Sitten und öffentliche Ordnung[50].
Das anzuwendende materielle Recht bestimmt sich gemäß Art. 33 UAR unter Berücksichtigung der für das Geschäft anzuwendenen Handelsbräuche nach dem Recht des Hauptvertrages, soweit von den Parteien nichts anderes vereinbart wurde. Mangels Vereinbarung hat demgemäß das Schiedsgericht die relevanten Kollisionsnormen zu ermitteln und festzustellen, auf welches materielle Recht diese Kollisionsnormen verweisen[51].
Nach Abs. 2 dieser Vorschrift kann das Schiedsgericht, wenn es ausdrücklich von den Parteien dazu ermächtigt wurde, nach Billigkeit – ex aequo et bono – entscheiden, so dass das Schiedsgericht von der Anwendung eines bestimmten Rechtes befreit wird.
Der Schiedsspruch, zu dem auch vorläufige, Zwischen- und Teilschiedsprüche gehören, ist nach Art. 32 UAR schriftlich abzufassen und zu begründen, wobei die Parteien das Schiedsgericht von einer Begründung entbinden können.
Als Besonderheit ist anzuführen, dass jede Partei die schriftliche Auslegung des Schiedsspruches verlangen kann (Art. 35 UAR).
Im Hinblick auf den einstweiliger Rechtsschutz kann jede Partei gerichtliche Anträge auf Anordnung vorläufiger Maßnahmen stellen, ohne dass diese mit der Schiedsvereinbarung unvereinbar anzusehen sind oder als Verzicht auf diese gelten (Art. 26 UAR). In der Praxis kann eine Partei beispielsweise einen dinglichen Arrest bei einem ordentlichen Gericht beantragen, ohne dass hiervon die Schiedsvereinbarung betroffen ist[52].
Schließlich entscheidet das Schiedsgericht über die Kosten im Schiedsspruch. Da die UAR gleichermaßen für Entwicklungs- wie Industrieländer Anwendung finden sollen[53], enthalten die UAR keine festgelegten Schiedsrichtervergütungen[54]. Deren Höhe ergibt sich aus dem Streitwert, der Schwierigkeit der Sache, der von den Schiedsrichtern aufgewendeten Zeit sowie aller anderen maßgebenden Umstände und wird in Zweifelsfällen von der „Ernennenden Stelle“ durch Gutachten ermittelt.
6. Exkurs: Vor- und Nachteile der UAR
Im folgenden sollen exemplarisch die Vor- und Nachteile von Schiedsgerichtsvereinbarungen generell sowie der UAR gegenüber administrierten Verfahren skizziert werden.
Zunächst muß im Hinblick auf den regelmäßig als erstes für den Abschluß von Schiedsvereinbarungen angeführten Kostenfaktor darauf hingewiesen werden, dass Schiedsverfahren erst bei hohen Streitwerten im Verhältnis zu den ordentlichen Gerichten kostengünstiger sein können[55].
In diesem Zusammenhang ist für die UAR die dargestellte Problematik der Festsetzung von Schiedsrichtervergütungen erwähnenswert, da deren Höhe im vorhinein nur schwer absehbar sind und dadurch die Kostenregelung zu erheblichen Verzögerungen führen kann[56].
Ein genereller Vorteil von Schiedsverfahren ist die insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten oder Unternehmenskäufen relevante Möglichkeit der Geheimhaltung, da der Öffentlichkeitsgrundsatz hier nicht gilt[57].
Als weiterer genereller Vorteil von Schiedsverfahren zu nennen ist die Möglichkeit des Einsatzes von sowohl in Sachkunde und Sprache als auch im rechtlichen Bereich mit der Materie vertrauten Schiedsrichtern. Denkbar ist hier auch eine Ernennung von Sachverständigen als Schiedsrichter.
Die UAR haben diesbezüglich den Vorteil, die Auswahl der Schiedsrichter in den Parteiwillen zu stellen und bieten daher jeweils eine fallspezifische Flexibilität gegenüber solchen Schiedsordnungen, die den Abschluß eines juristischen Studiums für den Vorsitzenden bzw. Einzelrichter voraussetzen. Handelt es sich bei dem Streit ausschließlich um eine Sachverständigenfrage, läßt sich eine Beweisaufnahme durch Bestellung des Sachverständigen als Schiedsrichter vermeiden[58].
Nutzbringend erscheint auch die in Art. 27 UAR ausführlich vorgenommene Verfahrensregelung zu Sachverständigen, wobei den Parteien die Möglichkeit gegeben wird, eigene Parteigutachter im Rahmen der Anhörung des Sachverständigen als sachverständige Zeugen einzuführen.
Wie bereits angesprochen, muß in der durch die ad hoc Schiedsgerichtsbarkeit fehlenden Administrierung bei der Frage der Verjährungsunterbrechung ein Nachteil im Vergleich zu institutionellen Schiedsverfahren muß gesehen werden.
Als Vorteil dagegen wird die in den UAR festgelegte Anzahl von drei Schiedsrichtern mangels anderer Parteivereinbarung und dem damit verbundenen Auswahlverfahren gesehen[59], da jede Partei ihren eigenen Schiedsrichter bestellen kann (Art. 7 Nr. 1 UAR).
Es wurde insgesamt bereits dargestellt, dass vor allem die bedeutenden Schiedsgerichtsordnungen nach dem Vorbild der UAR eine Anpassung erfahren haben. Ein bis dahin bestehender Vorteil aufgrund der inhaltlichen Regelungen der UAR wurde dadurch geringer[60].
Fraglich ist, ob die UAR wegen der im Vergleich zu den ICC-Rules größeren Ausführlichkeit – 41 Artikel der UAR gegenüber 26 Artikel der ICC – von Vorteil sind.
Je ausführlicher Regelungen gefaßt werden, desto voraussehbarer ist für die Parteien der zu erwartende Verfahrensgang. Folgerichtig werden die Ermessensspielräume des Schiedsgerichtes dadurch gleichzeitig beschränkt, da verschiedene Fragen, die sonst im Ermessen der Gerichts gelegen hätten, bereits geregelt werden.
Ob eine größere Regelungsdichte vorteilhaft ist, wird vom konkreten Einzelfall abhängen. Ebenfalls kommt es auf die Zusammensetzung der Vertragsparteien an, in wieweit einem ad hoc Schiedsverfahren gegenüber einem institutionellen Schiedsverfahren der Vorzug zu geben ist.
Die Frage nach dem Grad der Regelungsdichte wird wohl durch die Unterschiedlichkeit der Parteien zu beantworten sein. Je größer das Gefälle der Rechtskulturen, desto Attraktiver wird ein von Institutionen losgelöstes Schiedsgericht sein, so dass hier den UAR der Vorzug zu geben sein wird.
Insbesondere für solche Zusammensetzungen haben sich die UAR hat als Alternative zu den bewährten Schiedsinstitutionen erwiesen[61].
II. Weiterentwicklung der UAR – das Modellgesetz
Nach dem mit den UAR gemachten Versuch, ein Regelwerk zur internationalen Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts zu schaffen, beschloß die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) am 11.12.1985 das UNCITRAL-Modellgesetz (MG) als weitere Entwicklung dieser Bestrebung.
Dieses Mustergesetz, das allen Staaten zur Berücksichtigung bei der Neuregelung der nationalen Schiedsverfahren von der UN empfohlen wurde[62], stellt eine Kodifizierung anerkannter bzw. auch politisch anerkannter Standards der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit dar[63]. Neben der Vereinheitlichung sollte durch die Normen sichergestellt sein, dass das MG frei von ideologischen und regionalen Übergewichten ist.
Eine Vielzahl von Staaten, darunter auch Deutschland, haben inzwischen das MG mit zum Teil nur wenigen Änderungen übernommen[64], so dass das MG zum „juristischen Bestseller“ geworden ist[65].
Das deutsche Schiedsverfahrensrecht wurde in den §§ 1025 – 1048 ZPO a.F.[66] geregelt und war eine der ältesten noch in Kraft befindlichen Gesetze in Europa[67] bis die Reform im Jahre 1997 durch die weitgehende Übernahme des MG die veralteten Regelungen von 1879 abgelöst hat[68]. Das Schiedsverfahren wird nunmehr in den am 1.1.1998 in Kraft getretenen §§ 1025 – 1066 ZPO geregelt[69], wobei die Beschränkung des MG auf Handelssachen (Art. 1 Abs. 1 MG) nicht übernommen wurde[70].
Gewichtige Abweichungen vom UNCITRAL-Modellgesetz enthalten die Normen zur Schiedsgerichtsbarkeit der ZPO nicht. Hingegen beinhalten sie nicht wenige zusätzliche Regelungen, die aus Gründen der Klarstellung geboten erscheinen oder bewährte Regelungen des geltenden nationalen Rechts in das neue Recht übernehmen[71].
Ohne auf die einzelnen Normen einzugehen[72], sei an dieser Stelle auf die zentrale Vorschrift des Art. 7 MG eingegangen, der Form und Inhalt einer Schiedsgerichtsvereinbarung definiert.
Danach ist eine „Schiedsvereinbarung“ eine Vereinbarung der Parteien, alle oder bestimmte Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis, vertraglicher oder nichtvertraglicher Art, entstanden sind oder künftig entstehen, einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterbreiten (Art. 7 Abs. 1 S. 1 MG). Eine entsprechende Regelung findet sich in § 1029 ZPO.
Der Schutz von Verbrauchern wurde in beiden Regelwerken dadurch erreicht, dass das MG den Anwendungsbereich nur auf die internationale Handelsgerichtsbarkeit beschränkt und somit Verbraucher gänzlich ausschließt.
In der ZPO wurden demgegenüber nur Rechtsstreitigkeit über den Bestand von Mietverhältnissen über Wohnraum im Inland ausgenommen (§ 1030 Abs. 2 ZPO).
Verbraucher erfahren nach § 1031 Abs. 5 ZPO zudem einen weiteren Schutz dadurch, dass eine Schiedsgerichtsvereinbarung, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, von den Parteien auf einer Urkunde eigenhändig unterzeichnet sein muß. Die Urkunde darf keine anderen Vereinbarungen als solche, die sich auf das Schiedsverfahren beziehen, enthalten.
Die Einbeziehung einer Schiedsgerichtsvereinbarung über Allgemeine Geschäftsbedingungen[73], wie sie nach Art. 7 Abs. 2 MG und § 1031 Abs. 3 ZPO zulässig ist, scheidet daher bei Verbrauchern aus.
Diese Modifikation des MG durch den deutschen Gesetzgeber dokumentiert den Vorteil eines Modellgesetzes. Diese Methode bietet im Hinblick auf Staaten, die einen grundverschiedenen rechtlichen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand haben, eine flexible Form, zumindest eine Rechtsangleichung zu erreichen, da Verträge von solchen gegebenenfalls nicht unterschrieben würden, so aber eine Umsetzung frei erfolgen kann.
Das MG hat im Unterschied zu Konventionen keinerlei völkerrechtliche Bindung. Staaten, die das MG ganz oder teilweise übernehmen wollen, entscheiden selbständig über das „Ob“ und „Wie“ der Umsetzung in das nationale Recht[74].
Ein gutes Beispiel für die sinnvolle Anwendung dieser Modifikationsmöglichkeit bietet die Vorschrift zum einstweiligen Rechtsschutz im Rahmen des Schiedsverfahrens.
Art. 17 MG, der im übrigen Art. 26 UAR entspricht, regelt die Befugnis des Schiedsgerichts zur Anordnung von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
Nach §§ 1039, 1040, 1042 ZPO a.F. war nach der damaligen Rechtsprechung einem Schiedsgericht die Anordnung solcher Maßnahmen verwehrt, da nur endgültige Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt werden konnten[75].
Dem entgegen befürwortete die Literatur eine solche Befugnis des Schiedsgerichtes im wesentlich mit der Begründung, dass das Schiedsgericht am ehesten in der Lage ist zu beurteilen, welche Maßnahmen im Bezug auf den Streitgegenstand erforderlich sind[76].
Dieser Auffassung schloß sich der Gesetzgeber an und regelte in § 1041 ZPO n.F., diese Befugnis. Von besonderer Wichtigkeit ist die – in Art. 17 MG nicht geregelte und bewußt der nationalen Gesetzgebung überlassene – Frage, auf welche Weise einstweilige Maßnahmen des Schiedsgerichtes zwangsweise durchgesetzt werden können[77].
Da nach deutschem Rechtsverständnis die Vollziehung durch ein staatliches Gericht erfolgen muß, sieht § 1041 Abs. 2 S. 1 ZPO nunmehr vor, dass die vom Schiedsgericht angeordnete Maßnahme für vollziehbar erklärt werden kann. Diese Vorschrift ermöglicht dem Gericht damit eine Ermessensentscheidung im Rahmen derer etwa die Vollziehung bei einer unverhältnismäßigen Anordnung verweigert werden kann[78].
Zu ergänzen ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl nach Art. 17 MG als auch § 1041 Abs. 2 ZPO keine Subsidiarität des gerichtlichen gegenüber dem schiedsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzes festgelegt wurde. Jeder Partei steht es daher frei, diesbezügliche Maßnahmen alternativ bei dem Schiedsgericht oder staatlichen Gericht zu beantragen[79].
Ergänzt wurde die Regelung des Art. 17 MG bei der deutschen Umsetzung im Hinblick auf etwaige Schäden, die der anderen Partei durch die Vollziehung entstanden sind[80]. In Anlehnung an § 945 ZPO regelt § 1041 Abs. 4 S. 1 ZPO einen Schadensersatzanspruch für Rechtsfolgen einer schiedsrichterlichen Anordnung, die sich nachträglich als ungerechtfertigt erweist[81].
Die deutsche Umsetzung des MG zeigt, dass im Wege eines Modellgesetzes den Bestrebung der UNCITRAL erfolgreich Rechnung getragen werden kann, ohne sich durch staatvertragliche Verpflichtung insgesamt auf einen Minimalkonsens einigen zu müssen. Jeder Staat hat den Grad der Rechtsvereinheitlichung bzw. Rechtsangleichung selbst in der Hand[82].
III. UNCITRAL Notes on Organizing Arbitral Proceedings
Die UNCITRAL Notes on Organizing Arbitral Proceedings (im folgenden „Notes“) beinhalten, wie eingangs dargestellt, eine Vielzahl von Empfehlungen für die Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahrens.
Da insbesondere die UAR verschiedene Aspekte der Parteidisposition überlassen, geben diese unverbindlichen Notes Empfehlungen über die offenen, aber dennoch zu berücksichtigenden Aspekte ab, um unnötige Kontroversen zu vermeiden.
Auch hier seien nur einige wichtige Gesichtspunkte exemplarisch herausgegriffen:
Aufgrund ihrer Bedeutung[83] für den weiteren Gang des Schiedsverfahrens ist die Empfehlung herauszustellen, den Ort des Schiedsgerichts festzulegen (Nr. 21 – 23 der Notes).
Ein weiterer wichtiger Punkt liegt in der zu regelnden Vertraulichkeit von Schiedsgerichtsverfahren, die gemeinhin als eine der großen Vorteile angesehen wird. Da sowohl in einzelnen Schiedsordnungen als auch in den diversen nationalen Rechtsprechungen oder Gesetzen eine diesbezüglich bindende Regelung fehlt, bedarf es hier regelmäßig einer ausdrücklichen Vereinbarung (Nr. 31 und 32 der Notes).
Schließlich seien die für einen Schiedsspruch häufig entscheidende Beweisermittlung erwähnt. Die meisten Schiedsordnungen räumen dem Schiedsgericht eine umfassende Freiheit im Hinblick auf die Beweiserhebung ein. Als Beispiel ist hier die Vernehmung von Zeugen zu nennen, deren Art und Weise in Schiedsordnungen regelmäßig nicht festgelegt ist. Demgemäß schlägt Nr. 63 der Notes vor, zunächst klarzustellen, in welcher Weise Zeugen befragt werden. Dargestellt werden hier im wesentlichen zwei Verfahrensweisen, wie sie aus dem deutschen und dem anglo-amerikanischen Prozeßrecht bekannt sind.
Entweder soll ein Zeuge zuerst vom Schiedsgericht und dann von den Parteien vernommen werden, wobei der Partei, die den Zeugen benannt hat, das Fragerecht zuerst zusteht.
Oder die Vernehmung erfolgt wie im anglo-amerikanischen Verfahren durch die Parteien, wobei in Nr. 63 der Notes angeregt wird, bei Unklarheiten dem Schiedsgericht ein Fragerecht einzuräumen.
Ebenfalls ist in diesem Zusammenhang zu regeln, ob und in welcher Form Parteifragen zu beanstanden sind. Auch hier wird der Weg – vergleichbar mit dem deutschen Verfahren (§ 397 Abs. 3 ZPO) – aufgezeigt, der dem Gericht die Befugnis einräumt, Fragen von sich aus nicht zuzulassen. Alternativ kommt eine Zurückweisung von Fragen nur auf Beanstandung einer Partei in Betracht.
Die herausgegriffenen Beispiele sollen verdeutlichen, dass trotz der Vereinbarung von Schiedsordnungen wie den UAR Parteien sich über verschiedene, nicht geregelte Problemkreise und die damit zu treffenden Entscheidungen bewußt werden müssen. Es bedarf hierbei der Klärung, ob verschiedene Verfahrensfragen in das Ermessen des Gerichts gestellt werden oder bereits im Rahmen der Schiedsgerichtsvereinbarung geregelt werden sollen. Die insgesamt neunzig Positionen der UNCITRAL Notes bieten dafür eine hervorragende Hilfestellung, auf die speziell bei geringerer Erfahrung in Schiedsgerichtssachen nicht verzichtet werden sollte.
D. Folgerungen für die Bedeutung der UNCITRAL Regeln
Die Bedeutung der UNCITRAL Regeln für das internationale Schiedsverfahren folgt im wesentlichen aus den beiden Regelungen der Arbitration Rules und des Modellgesetzes.
Der Einfluß der UAR auf internationale Schiedsgerichtsverfahren ist nur schwer feststellbar, da weder eine verläßliche Dokumentation deren Anwendung noch eine diesbezügliche Statistik vorliegt.
Da die Vereinbarung eines ad hoc Schiedsgerichtes von keiner (administrierenden) Stelle überwacht wird und die Parteien diese Schiedsgerichte frei bestimmen können, bleibt die Tatsache der Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahren häufig im Verborgenen, da Schiedsverfahren nicht dem Öffentlichkeitsgrundsatz nach § 169 GVG unterliegen. Zahlen über durchgeführte Verfahren liegen daher nicht vor.
Ebenfalls gibt es für ad hoc Schiedsgerichte keine Aufzeichnung von Schiedssprüchen, wie bei gerichtlichen oder teilweise auch institutionellen[84] Verfahren.
Die Bedeutung der UAR ergibt sich dennoch nicht zuletzt daraus, dass zum einen immer mehr (ausländische) Vertragspartner die Vereinbarung der UAR vorschlagen[85], zum anderen, dass auch zwischen Staaten die UAR vereinbart werden. So hat die American Arbitration Association mit der Außenhandelskammer der UdSSR seinerzeit Firmen und Außenhandelskammer empfohlen, die UAR im Rahmen einer Musterschiedsklausel zu vereinbaren[86]. Ebenso schlossen die U.S.A. mit der diversen Staaten eine Vereinbarung, Streitigkeiten nach den UAR abzuwickeln[87].
Weiterhin waren die UAR von großer Bedeutung für die Anpassung anderer Schiedsgerichtsordnungen. Die UAR wurden bei ihrer Verabschiedung als die modernste Schiedsgerichtsordnung angesehen[88]. Eine Vielzahl von Schiedsgerichtsordnungen sind mit den UAR als Vorbild neu gefaßt worden – genannt seinen an dieser Stelle die Rules der ICC, LCIA, die International Rules der AAA, die Schieds- und Schlichtungsordnung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Wien sowie die Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS)[89].
uch neu gebildete Schiedsgerichtsinstitutionen wie der spanische Schiedsgerichtshof oder das ebenfalls neu gebildete Schiedsgerichtszentrum in Kairo haben die UAR ganz oder teilweise als eigene Verfahrensordnung übernommen[90].
International haben die UAR und das MG der UNCITRAL einen großen Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung bzw. -angleichung der Schiedsgerichtsbarkeit geleistet. Dies gilt, wie aufgezeigt, sowohl für die ad hoc und institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, als auch für das Schiedsverfahrensrecht der einzelnen Staaten. Durch die dargestellten Unterschiede bietet das Schiedsverfahren vor allem für internationale Streitgegenstände gegenüber staatlichen Verfahren ganz erhebliche Vorteile.
Gleichzeitig haben die durch das UNCITRAL Modellgesetz geförderten Änderungen der ZPO die Attraktivität von Deutschland im weltweiten Wettbewerb um internationale Schiedsverfahren gesteigert[91]. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Prognosen, dass durch das neue Schiedsrecht in Zukunft vermehrt internationale Schiedsverfahren nach Deutschland gezogen werden[92], bewahrheitet.
E. Ausblick
Die Entwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit mit dem Hauptziel einer Rechtsvereinheitlichung befindet sich weiterhin im ständigen Fluß. Vom 20. bis 31. März wird sich in Wien die 32. Sitzung der UNCITRAL Working Group on Arbitration mit der Weiterentwicklung möglicher Regeln für bestimmte Fragen kommerzieller Streitigkeiten befassen[93]. Hier wird insbesondere die Ungleichheit der einzelnen nationalen Gesetze zum schiedsrichterlichen Verfahren bei der Befugnis der Schiedsgerichte zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen behandelt[94] und die Lösung dieser Differenzen[95] erörtert werden.
Zu einer ganz neuen Herausforderung und Entwicklung dürfte zukünftig der weltweite E-Commerce über das Internet führen. Speziell der internationalen Bereich des Online-Rechts, in dem derzeit keine Klarheit darüber herrscht, ob beispielsweise das materielle Recht des Anbieters oder Bestellers Anwendung findet[96], stellt einen hervorragenden Bereich dar, in dem Schiedsgerichtsvereinbarung zur Vermeidung solcher Unsicherheiten beitragen können. Zusätzlich kann durch eine entsprechende Vereinbarung der Parteien erreicht werden, dass Schiedsrichter mit der Beurteilung beauftragt werden, die sowohl mit technischen Spezifika des Internet und E-Commerce vertraut sind, als auch die Handelsgepflogenheiten kennen – ein Vorzug, den angesichts des häufig breiten rechtlichen Spektrums, das staatliche Gerichte abzudecken haben, dort nicht immer erbracht werden kann.
Vor diesem Hintergrund muß daher bei entsprechenden Streitwerten das Schiedsverfahrens als vorteilhaft gegenüber dem staatlichen Verfahren bewertet werden und damit für Streitigkeiten im Bereich des nationalen wie internationalen E-Commerce empfohlen werden.
Eine erste praktische Lösung von online-rechtlichen Problemen durch Einsatz der Schiedsgerichtsbarkeit erfolgte jüngst durch die UN-Tochter World Intellectual Property Organzation (WIPO). Das WIPO Arbitration and Mediation Center[97] entschied nach der neuen Uniform Dispute Resolution Policy[98] im Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens, dass die World Wrestling Federation Anspruch auf Übertragung der entsprechenden Domain hat[99].
Für den internationalen Bereich gilt der dargestellte Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit um so mehr, solange hier keine einheitliche Regelung des E-Commerce erfolgt, sondern es zu nationalen oder territorialen Zersplitterungen des materiellen Rechtes kommt[100]. Genannt seien hier die Regelungen der europäischen Fernabsatzrichtlinie[101], die UN-Kaufrechtskonvention[102] oder das deutsche Informations- und Kommunikationsdienstegesetz[103] .
Wünschenswert wäre hier die Fortführung der internationalen Entwicklung wie im Schiedsrecht, die über das UN-Übereinkommen von New York, die Arbitration Rules und das Modellgesetz zu einer UNCITRAL-Modellgesetzgebung zum Electronic Commerce führt[104], da angesichts der grenzenlos abrufbaren Internet-Inhalte eine örtliche Begrenzung bei Gesetzen nur wenig Sinn macht.
Für das europäische Schiedsverfahren relevant ist das Bestreben des Europäischen Parlaments für die Gesamtheit der Mitgliedsstaaten ein einheitliches Verfahren zur schiedsrichterlichen Beilegung zwischen Verbrauchern einerseits und Unternehmen andereseit festzulegen[105].
Diese Entwicklung verläuft jedoch parallel von den gleichlautenden Versuchen einer Rechtsvereinheitlichung durch die UNCITRAL. Es bleibt daher zu hoffen, dass auch in diesem Kontext von EU/UNCITRAL eine Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechtes erreicht werden wird.
Ob und wie, vor allem wann diese Bestrebungen umgesetzt werden dennoch bleibt abzuwarten.
[1]Von Staff, S. 1
[2]von Staff, S. 2 m.w.N.
[3]Von Staff, S. 2
[4]Von Staff, S. 2
[5]Von Staff, S. 2
[6]Von Staff, S. 2
[7]RGBl. 1877, S. 83; damals 10. Buch, §§ 851 – 872, die Grundlegend in der Fass. V. 1.6.1924 geändert wurden – §§ 1025 – 1048
[8]Maier, Rz. 7
[9]So auch Maier, Rz. 5
[10]International Chamber of Commerce
[11]Schwab, Kap. 41, Rz. 11
[12]Lionnet, BB 1993, S. 9
[13]Schwab, Kap. 41, Rz. 11
[14]RGBl. 1925 II, S. 47
[15]RGBl. 1930 II, S. 1068
[16]Übersicht bei Schwab, Kap. 41, Rz. 2
[17]BGBl. 1961 II, S. 122: Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards (New York, 1958); http://www.uncitral.org/english/texts/arbconc/58conv.htm
[18]Schütze, Rz. 17
[19]Lionnet, BB 1993, S. 9
[20]Abgedruckt etwa in International Legal Materials 15 (1976), S. 701ff;
Schütze, NJW-Schriften, Anhang III, S. 199 ff.
http://www.uncitral.org/english/texts/arbconc/arbitrul.htm
[21]Lionnet, Handbuch, S. 297
[22]Schwab, Kap. 41, Rz. 9
[23]Lionnet, Handbuch, S. 298; dazu auch: Böckstiegel-Wühler, S. 94
[24]Resolution 35/52 Conciliation Rules of the United Nations Commission on International Trade Law, vom 4.12.1980; http://www.uncitral.org/english/texts/arbconc/concirul.htm
[25]Schwartz/Paulsson, S. 2
[26]Schütze/Tscherning/Wais-Tscherning, Rz. 815
[27]B. II.
[28]http://www.uncitral.org/english/texts/arbconc/arbnotes.htm
[29]http://www.uncitral.org/english/texts/arbconc/arbnotes.htm ;
Introduction, Non-binding character of the Notes
[30]5. Deposits in respect of costs. (a) Amount to be deposited, Nr. 28
[31]Schütze, NJW-Schriften, Rz. 16
[32]Schütze, NJW-Schriften, Rz. 16
[33]Schwab, Kap. 41, Rz. 9
[34]Schütze, Handbuch, S. 417
[35]Dazu: Fringuelli/Wallhäuser, CR 1999, S. 93 – 101
[36]Schütze, NJW-Schriften, Rz. Rz. 108
[37]Schütze, NJW-Schriften, Rz. Rz. 108
[38]Dazu unten Abschnitt C. II.
[39]Schütze, Handbuch, S. 418
[40]Schütze, Handbuch, S. 418
[41]Schütze, NJW-Schriften, Anhang III, S. 215
[42]Schlosser, Rz. 615
[43]Schlosser, Rz. 626 m.w.N.
[44]Lionnet, BB 1993, S. 9 (10)
[45]Lionnet, BB 1993, S. 9 (10)
[46]Lionnet, BB 1993, S. 9 (11)
[47]Schütze, Handbuch, S. 418
[48]Schütze, Handbuch, S. 418
[49]Lionnet, BB 1993, S. 9 (11)
[50]Schütze, NJW-Schriften, Rz. 183 m.w.N.
[51]Zur Bestimmung des materiellen Rechts: Schütze, NJW-Schriften, Rz. 174ff.
[52]Zur Problematik von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes
durch das Schiedsgericht: Schaefer, S. 6; http://law.kub.nl/ejcl/22/art22-2.html
[53]Schütze, Handbuch, S. 421
[54]So z.B. § 40.5. der Schiedsgerichtsordnung der DIS i.V.m. der Anlage zu § 40.5
[55]So Maier, Rz. 2; a.A. Schütze, Rz. 11
[56]Schütze, Handbuch, S. 421
[57]Maier, Rz. 4
[58]Maier, Rz. 4
[59]Lionnet, BB 1993, S. 9 (11) m.w.N.
[60]Lionnet, BB 1993, S. 9 (12)
[61]Glossner/Bredow/Bühler, Rz. 52
[62]UN-Doc. A/40/53
[63]Schwab, Rz. 7
[64]Schwab, Rz. 7; Schütze, Rz. 5
[65]Schütze, Rz. 5
[66]Letzte geringe Änderung BGBl. 1986 I, S. 1142ff.
[67]Zerbe, S. 14
[68]Schütze, Rz. 5 mit einer Fülle von w.N.
[69]BGBl. 1997 I, S. 3224
Zum Übergangsrecht s.a.: Baumbach-Albers, ZPO, Grundz § 1025
[70]Zum Hintergrund:
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)
zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 13/5274 –
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts
(Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz – SchiedsVfG);
http://dip.bundestag.de/btd/13/091/1309124.asc ;
abgedruckt in Schütze, NJW-Schriften, IV. Materialien, S. 216ff.
[71]Drucksache 13/5274 – http://dip.bundestag.de/btd/13/091/1309124.asc
[72]Dazu: Berger; DZWir 1998, S. 45;
Bredow, DIS-Mat. IV, S. 11ff.
Habscheid, JZ 1998, S. 445ff.;
Labes-Lörcher, MDR 1997, S. 420ff.
[73]Zur Problematik: Jäcker, S. 229ff.
[74]Zerbe, S. 54
[75]BGH ZZP 1958, S. 427
[76]Habscheid,JZ 1998, 445 (448) m.w.N.
Aden, BB 1985, S. 2277 (2280)
[77]Drucksache 13/5274 – Schütze, NJW-Schriften, IV. Materialien, S. 266;
http://dip.bundestag.de/btd/13/091/1309124.asc
[78]Baumbach-Albers, § 1041, Rz. 4
[79]Baumbach-Albers, § 1041, Rz. 2
[80]Im MG wurde von einer Regelung des Schadensersatzes abgesehen, da
sich das MG mit dieser Frage nicht befassen wollte –
vergl. Bericht zum Modellgesetz Nr. 166
[81]Drucksache 13/5274 – Schütze, NJW-Schriften, IV. Materialien, S. 267;
http://dip.bundestag.de/btd/13/091/1309124.asc
[82]Zerbe, S. 54
[83]S.o.: C. I. 3.
[84]So beispielsweise bei Verfahren von dem Iran – United States Tribunal
vergl. Wühler, S. 99
[85]So Lionnet, BB 1993, S. 9
[86]Schütze/Tscherning/Wais-Tscherning, Rz. 813
[87]z.B. U.S.A – Republik of Azerbaijan: www.state.gov/www/issues/economic/treaty_bit_azerbaijan.html
U.S.A – Bolivien www.state.gov/www/issues/economic/tr_9804_boliviabit.html
[88]Lionnet, Handbuch, S. 298; Lionnet, BB 1993, S. 9 (11)
[89]Übersicht bei Lionnet, Handbuch, S. 298
[90]Schütze/Tscherning/Wais-Tscherning, Rz. 813
[91]Berger; DZWir 1998, S. 45
[92]Berger; DZWir 1998, S. 45
[93]UN-Doc. A/CN.9/WG.II/WP.108 vom 14.1.2000;
http://www.uncitral.org/english/sessions/wg_arb/wp-108.pdf
[94]UN-Doc. A/CN.9/WG.II/WP.108 vom 14.1.2000; S. 17ff.
[95]UN-Doc. A/CN.9/WG.II/WP.108 vom 14.1.2000; S. 21.ff.
[96]Dazu: Junker, RIW 1999, S. 814ff.
Kaiser/Voigt, Kommunikation und Recht 1999, S. 445
[97]Domain Name Dispute Resolution Service der WIPO
www.arbiter.wipo.int/domains/
[98]www.icann.org/udrp/udrp.htm
[99]www.arbiter.wipo.int/domains/decisions/html/d99-0001.html
[100]Kuner, MMR 1999, S. 185
Zur internationalen Problematik:
Rüßmann, S. 709ff.
Bachmann, Cyberlaw, S. 169ff.
Kuner, CR 1996, S. 453ff.
Müller-Hengstenberg, NJW 1996, S. 1777ff.
[101]Richtlinie „über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt “ vor (KOM(1998) 86/98/0325(COD)).
Dazu: Roßnagel, NJW 1999, S. 1591
Fringuell/Wallhäuser, CR 1999, S. 93 (97)
[102]UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (Convention on Contracts for the Sale of Goods – abgek.: CISG), vom 1.1.1991; BGBl. II 1989, S. 588ff.
http://ruessmann.jura.uni-sb.de/rw20/gesetze/CISG/introd.htm
[103]BGBl. I 1997, 1870
[104]UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce with
Guide to Enactment 1996 with additional article 5 bis as adopted in 1998; General Assembly Resolution 51/162 vom 16.12.1996 –
http://www.uncitral.org/english/texts/electcom/ml-ec.htm
[105]Schwab/Walter/Baumbach, Kap. 41, Rz. 1
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