Internet World Business, 03-2008, Seite 10

Das Landgericht Bochum entschied jüngst, dass die zur Verteidigung erforderlichen Kosten für eine rechtsanwaltliche Gegenabmahnung erstattungsfähig sind, wenn die Abmahnung offensichtlich unbegründet ist.

Im konkreten Fall hatte der Inhaber einer Wort-/Bildmarke, die einen generischen Begriff enthielt, den Inhaber der gleichnamigen Domain abgemahnt, einen Dispute-Eintrag bei der Denic erwirkt sowie zur Löschung der Domain und Übernahme der durch die Abmahnung entsprechenden Kosten unter Fristsetzung und Klageandrohung aufgefordert.

Die Abmahnung, die wohl der Versuch war, durch „Abschreckung“ günstig an eine Domain zu gelangen, wurde auf markenrechtliche Ansprüche gestützt. Der Empfänger der Abmahnung handelte jedoch nicht im geschäftlichen Verkehr. Auch bestand keine Verwechslungsgefahr, weil die Domain zwar registriert, aber nicht konnektiert war.

Und schließlich sind generische Begriffe grundsätzlich nicht schutzfähig. Eine entsprechende Gegenabmahnung veranlasste die Abmahnerin, ihre Ansprüche nicht mehr geltend zu machen und den Dispute-Eintrag entfernen zu lassen. Dies mache deutlich, dass „die Gegenabmahnung veranlasst war, weil der Kläger damit die offensichtlich unzutreffenden Annahmen der Beklagten, auf denen die Abmahnung beruhte, ausgeräumt hat“, so das Gericht.

Weil eine Abmahnung zur außergerichtlichen Befriedung von Ansprüchen nützlich ist, sahen die Richter auch die Gegenabmahnung als geboten an, „weil anzunehmen war, dass die Beklagte aufgrund der übermittelten Informationen ihren vermeintlichen Unterlassungsanspruch fallen lassen werde“ (Az.: 13 O 130/07).

Neben der Erstattungsfähigkeit der Gegenabmahnungskosten dem Grunde nach unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag bestätigten die Richter auch den der Gegenabmahnung zugrunde gelegten Gegenstandswert von 50.000 Euro, der insoweit im Markenrecht üblichen Dimensionen entspricht.

Urteilsanalyse

Die Entscheidung der Bochumer Richter liefert ein gutes Beispiel dafür, dass dem häufig gestarteten Versuch, einer teilweise nur bedingt belastbaren Marke einer Domain habhaft zu werden, erhebliche Risiken entgegenstehen. Zwar mag man im Rahmen der Auseinandersetzung über eine Abmahnung je nach Fallkonstellation über unterschiedliche Rechtsansichten streiten, die dann im Ergebnis zu einem Vergleich oder einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen. Ist aber für den Anwalt ohne Weiteres im Rahmen einer Subsumtion – also Einordnung eines Sachverhaltens unter eine bestimmte Rechtsnorm – ersichtlich, dass die für einen Anspruch erforderlichen Tatbestandsmerkmale nicht vorliegen, gleichzeitig, wie hier durch den Dispute-Eintrag, sogar die Position des Domaininhabers noch tangiert ist, läuft er Gefahr, im Wege der Gegenabmahnung oder sogar der negativen Feststellungsklage in Anspruch genommen zu werden. Ähnlich wie nun das Bochumer Landgericht hatte zuvor auch das Landgericht Hamburg einen Schadensersatzanspruch des zu Unrecht Abgemahnten in Höhe der Rechtsanwaltsgebühren festgestellt (Az.: 315 O 371/05).

Praxistipp

Für die Praxis bedeutet dieses Urteil in Bestätigung der BGH-Rechtsprechung (BGH GRUR 2005, 882), dass in Ausnahmefällen Anwaltskosten einer Gegenabmahnung erstattungsfähig sein können. Diese hängt davon ab, ob die Abmahnung rechtlich diskussionsfähig oder offensichtlich unbegründet ist. Soweit die Abmahnung der Klärung eines Rechtsverhältnisses dient, deren Problematik erst durch eine Erwiderung beseitigt wird, sind die Kosten einer Gegenabmahnung regelmäßig nicht erstattungsfähig.

Ist der Anspruch dagegen offensichtlich unbegründet, liefert das Bochumer Urteil eine hilfreiche Bestätigung für die Durchsetzung der Anwaltskosten beim Abmahner. Insoweit sollten Abmahner die Sachlage sehr genau prüfen, bevor sie zum Mittel Abmahnung greifen.