COMPUTERWOCHE Nr. 43 vom 29.10.1999 Seite 94
Bis vor wenigen Monaten noch herrschte im Internet eine Goldgräberstimmung. Mit der Masche, sich einen Domain-Namen registrieren zu lassen, der einen Firmennamen oder eine bekannte Marke beinhaltete, um dann nachfolgend von dem Firmen- oder Markeninhaber ein “Lösegeld” verlangen zu können, wurde zunächst viel Geld verdient.
Genährt wurde das sogenannte “Domain-name-grabbing” zunächst durch Urteile (z.B. OLG Hamm, Az.: 4 U 135/97 – “krupp.de”), wonach eine Übertragung des Domain-Namen nicht verlangt werden, lediglich der Gebrauch des Domain-Namens untersagt werden könne. Daraus folgte denknotwenig, dass derjenige, der einen Domain-Namen mit seiner Marke oder seiner geschäftlichen Bezeichnung verwenden wollte, für die Domain-Übertragung deutlich zur Kasse gebeten wurde.
Dem entgegen schlossen sich immer mehr Gerichte der Auffassung an, dass nicht nur Unterlassung, sondern auch die Übertragung von Domain-Namen verlangt werden könne (z.B. LG Frankfurt am Main, Az.: 6 O 633/96 – “das.de”; LG Düsseldorf, Az.: 4 O 179/97 – “ufa.de”; LG Mannheim, Az.: 7 O 529/97 – “brockhaus.de”; LG Nürnberg-Fürth, Az.: 4 HKO 9273/97 – “big.de”). Der anfängliche Traum vom großen Geld wurde nun angesichts der im Wettbewerbsrecht geltenden diesbezüglichen Streitwerte zwischen DM 50.000,– und DM 500.000,00 schnell zum Alptraum.
Da somit dem Domain-name-grabbing der Boden entzogen wurde, erdachten clevere Köpfe eine neue Methode, aus einer für den juristischen Laien nicht nachvollziehbaren Situation, Geld zu schöpfen. Das “Marken-grabbing” war geboren. Strategie ist die, dass immer häufiger allgemein verwendete Begriffe oder auch bereits vorhandene Domain-Namen als Marke eingetragen werden, um dann denjenigen, der die eingetragene Marke oder Domain – oft in Unkenntnis – verwendet, abzumahnen. Bekanntlich zieht eine solche Abmahnung Abmahnkosten nach sich, die je nach Streitwert rund DM 1.000,00 bis DM 2.000,00 betragen. Ziel hierbei sind regelmäßig kleinere Internetanbieter, denen zum einen die Kenntnis für die juristischen Zusammenhänge fehlen, zum anderen deren finanzielle Mittel zur Führung eines Rechtsstreites begrenzt sind.
Nach anfänglich leichtem Spiel für die Abmahner formierte sich jetzt die Internetgemeinde in Initiativen und Aktionen zum Widerstand, um in einem Fall, der plastisch verdeutlicht, dass eine formelle Rechtsposition mit materiellem Recht nichts mehr zu tun haben kann, dem Recht zum Sieg zu verhelfen – der Fall “Webspace”.
Hintergrund dieses Falles ist, dass sich Klaus T. die Marke “WEBSPACE” beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen ließ (Az.: 39806414). Kurz nachdem die Marke am 07.06.1999 eingetragen wurde, startete ein in diesem Bereich schon mehrfach in Erscheinung getretener Anwalt aus München eine Abmahnwelle und mahnte rund 100 kleinere Provider ab, den Begriff “Webspace” nicht mehr auf deren Internetangebot anzubieten. Dies selbstverständlich unter Beifügung der Gebührenrechnung.
Problematisch ist hierbei in rechtlicher Hinsicht, dass es sich formell um eine Markeneintragung handelt, die dem Inhaber eine Rechtsposition gibt, Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Nahezu jeder mit der Materie “Internet” nur halbwegs Befaßte weiß demgegenüber, dass der Begriff “Webspace” synonym für Speicherplatz verwendet wird, der für Angebote auf Servern, die mit dem Internet verbunden sind, bereit gestellt wird. Demgemäß läßt sich “Webspace” auch mit “Netzspeicher” sinngemäß übersetzen, wobei genau genommen der Tatbestand des zur Verfügungstellens von Speicherplatz für Internet-Angebote begrifflich nur sinnvoll mit “Webspace” bezeichnet werden kann, da damit in nur einem Begriff das Angebot von Festplattenspeicherplatz für die Online-Nutzung des World Wide Web bezeichenbar ist. Folgerichtig benutzen eine Vielzahl von Firmen für die vorgenannte Angebote den Begriff “Webspace” im Rahmen von Tarifangeboten. So ist es wenig verwunderlich, dass sich im deutschsprachigen Bereich der Internetsuchmaschine “Altavista” bei Eingabe des Begriffes “Webspace” 181950 Einträge fanden, bei der deutschen Präsenz von Lycos 40344. Diesen Umstand hat das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) offensichtlich übersehen, so dass die Marke “WEBSPACE” dennoch eingetragen wurde, obwohl es sich um hier den Fall eines absoluten Schutzhindernisses gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG handelt. “Webspace” ist ein Begriff eines Waren- oder Dienstleistungsangebotes, dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt und der in redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten als übliche Bezeichnung für Speicherplatz im Internet dient.
Daher sah sich das DPMA auch veranlaßt, am 05.08.1999 eine Stellungnahme zur Eintragung der Marke “WEBSPACE” abzugeben und über die Möglichkeit eines Löschungsverfahrens aufzuklären. Dies insbesondere deswegen, weil das DPMA selbst keine Möglichkeit hat, seinen Fehler zu korrigieren. Ein Löschungsverfahren einer Marke von Amts wegen ist aus den hier in Rede stehenden Vorschriften des seit 1995 geltenden Markengesetzes nicht möglich.
Zwischenzeitlich allerdings wurde bereits am 27.07.1999 ein Löschungsantrag gemäß § 50 Abs. 2 MarkenG auf Löschung dieser eingetragenen Marke gestellt, für den es eine Spendenaktion im Internet gab. Solange jedoch dieses Löschungsverfahren nicht abgeschlossen ist – und dies kann Jahre dauern – bleibt es bei der formellen Rechtsposition.
Vergleichbar mit den frühen Domain-name-Fällen, sind nunmehr Gerichte mit der Frage konfrontiert, ob trotz einer formellen Markeneintragung, die entgegen absoluter Schutzhindernisse gewährt wurde, ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung abschlägig beschieden werden kann. Hierzu sei angemerkt, dass eine vorläufige Versagung des Markenschutzes bei Benutzung einer eingetragenen Marke nach der bisherigen Rechtsprechung nur im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens möglich ist, wenn das Gericht seine Entscheidung bis zum Abschluß des gesonderten Markenlöschungsverfahrens aussetzt.
Das entscheidende Gericht in Bochum scheint diese Möglichkeit für einen diesseits vertretenen Fall zumindest nicht von vornherein auszuschließen, da auf die Widerspruchsschrift hin die Zwangsvollstreckung aus einer zunächst ergangenen einstweiligen Verfügung “wegen der Besonderheit der Sach- und Rechtslage einstweilen gegen Sicherheitsleistung von DM 25.000,00 eingestellt” wurde. Dies bedeutet einen Teilerfolg, so dass dem Mitte Oktober anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung mit Hoffnung all derer, die bereits abgemahnt wurden, jedoch deren Abmahnungs- oder einstweilige Verfügungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, entgegengesehen wird.
Kernargumentation in diesem Verfahren, die in vielen Einzelfällen auch erfolgversprechend sein dürfte, ist das Fehlen einer markenmäßigen Benutzung. Eine markenmäßige Benutzung liegt dann vor, wenn ein Begriff als Unterscheidungszeichen zur Identifizierung gerade des eigenen Produkts bzw. der eigenen Dienstleistung am Markt verwendet wird. Eine solche Benutzung ist also immer dann gegeben, wenn ein Produktname zur Unterscheidung von Waren- und Dienstleistungen dient. Wann eine diesbezügliche Markenbenutzung erlaubt ist, wurde noch nicht abschließend von der Rechtsprechung geklärt. Nach einer Entscheidung des OLG München (Az.: 29 U 3195/97 – “Infobahn”) ist jedoch die Verwendung eines Begriffs in Werbeanzeigen für Waren- und Dienstleitungen als beschreibende Angabe im Sinne des § 23 Nr. 2 MarkenG zu beurteilen, da der Verkehr der Verwendung der Angabe keinen über die Warenbeschreibung hinausgehenden Inhalt beimißt. Genau diese Argumentation greift auch bei der Verwendung des Begriffs “Webspace” für Angebote von Online-Festplattenspeicher.
Kritischer wird es allerdings dann, wenn tatsächlich eine markenmäßige Benutzung vorliegt.Hier könnte eine Verteidigung nur dahingehend erfolgen, dass allein eine formelle Rechtsstellung ausgenutzt werden soll, um Abmahngebühren zu kassieren. Der Tatbestand des § 21 Abs. 4 MarkenG bietet hierfür Raum, da die Rechtsmißbräuchlichkeit der geltend gemachten Unterlassungsansprüche sehr nahe liegen und daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen wird.
Abzuwarten bleibt letztendlich, ob das Landgericht Bochum sich der Argumentation anschließen wird und als erstes Gericht dem “Markengrabbing” einen Riegel vorschieben wird, wie es vor nicht all zu langer Zeit Gerichte für das Domain-name-grabbing gemacht haben. Die mündliche Verhandlung bleibt abzuwarten.
Rauschhofer Social