internet world, 3/02, S. 32ff.
Allgemein haben Abmahnungen bei Rechtsverletzung einen sinnvollen Zweck. Sie dienen im wesentlichen der Abwehr künftiger Beeinträchtigung und einer außergerichtlichen Befriedung. Im Falle einer klaren Rechtsverletzung kann es daher sogar im Interesse des Abgemahnten sein, auf diese Weise in Anspruch genommen zu werden, da so ein kostenträchtiges Gerichtsverfahren vermieden wird. Als Missbrauch bekannt wurde indes das Abmahn(un)wesen im Internet durch den weitläufig bekannt gewordenen Fall „Webspace„, dem weitere Massenabmahnungen für die Marke „Explorer“ oder wegen behaupteter Markenrechte an Domainnamen folgten. Im Internet kommen vor allem Rechtsverstöße gegen das Wettbewerbsrecht und dessen Nebengesetze sowie kennzeichenrechtliche Tatbestände in Betracht. Als praktische Beispiele sind Spamming, die Verletzung von Markenrechten aber auch die Nichtbeachtung der seit 21.12.2001 erweiterten Anbieterkennzeichnungspflicht zu nennen. Um bei dem Erhalt einer Abmahnung richtig zu reagieren, bedarf es vor allem der Prüfung einer Anspruchsberechtigung, deren Kriterien wegen der vielfältigen Fallgestaltungen im Rahmen dieses Beitrag nicht näher erläutert werden können. Anhand eines Fallbeispieles aus der Praxis sollen daher die wichtigsten Situationen des Abgemahnten und die Vorgehensweise skizziert werden.
Fallkonstellation Bei von Domainstreitigkeiten ist häufig umstritten, inwieweit Ansprüche aus Marken-rechten gegenüber einem Domain-Inhaber greifen. Eine diesbezügliche Wertung beinhaltet verkürzt dargestellt die Gegenüberstellung von Marke und Domain sowie Identität oder Ähnlichkeit der vertriebenen Waren oder Dienstleistungen. Je ähnlicher dabei die Domain mit dem geschützten Kennzeichen ist, desto größer ist die Verwechslungsgefahr bei Branchennähe. Demgegenüber besteht beispielsweise kein Anspruch selbst bei Zeichenidentität von Marke und Domain, wenn unter der Domain völlig andere als die zur Marke eingetragenen Waren oder Dienstleistungen angeboten werden (z.B. Lacke gegenüber Computern). Je nach Ergebnis bestehen für die weitere Strategie verschiedene Optionen.
Unberechtigte Abmahnung Fehlt es an einem Anspruch, sollte der Abmahnung widersprochen werden, um ein Gerichtverfahren, das nur infolge Schweigens eingeleitet wird, zu vermeiden. Bei weitgehender Gewissheit über das Fehlenden einer Anspruchsberechtigung kann im Wege der Gegenabmahnung der Abmahnende unter Fristsetzung aufgefordert werden, eine Erklärung über das Nichtbestehen des von ihm behaupteten Anspruchs abzugeben. Hierbei kann zusätzlich eine sogenannte negative Feststellungsklage angedroht werden, um den Druck zu erhöhen. In eng begrenzten Fällen einer offensichtlichen Unbegründetheit der Erstabmahnung hat der Abmahnende die Kosten der Gegenabmahnung, beispielsweise durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts auf Seiten des Abgemahnten, zu tragen. In klaren Fällen, in denen der Abmahnende nach dem Beispielsfall ohne weiteres hätte erkennen können, dass aufgrund der Branchenverschiedenheit keine Ansprüche gegen einen Domain-Inhaber bestehen, wären Kosten folglich ersatzfähig.
Muss mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerechnet werden, sollte ferner eine sogenannte Schutzschrift hinterlegt werden. Im Eilverfahren entscheidet das Gericht meist ohne mündliche Verhandlung wegen besonderer Dringlichkeit allein auf Grundlage des Tatsachenvortrages in der Antragsschrift, mithin des zunächst Abmahnenden. Mit der hinterlegten Schutzschrift wird das Gericht in die Lage versetzt, auch den Standpunkt des Antragsgegners kennen zu lernen, so dass meist eine mündliche Verhandlung zur Erörterung anberaumt wird. Vorteil dessen ist, dass nicht erst eine ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Verfügung bekämpft werden muss. Die Hinterlegung einer Schutzschrift ist allerdings nicht immer wirkungsvoll, da der Gerichtsstand bei Wettbewerbssachen im Internet meist an jedem deutschen Gericht liegt, so dass ein taktisches Ausweichen denkbar bleibt. Bei Marken- und Urhebersachen gibt es dagegen begrenzte Sonderzuständigkeiten. Als Minimallösung sollte die Schutzschrift somit zumindest am Gerichtsstand des Abmahnenden als auch des Abgemahnten hinterlegt werden.
Berechtigte Abmahnung Ist dagegen eine Abmahnung berechtigt, so führt in der Sache kein Weg daran vorbei, eine uneingeschränkte, bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungserklärung abzugeben, in der für den Fall eines erneuten Verstoßes eine angemessene Vertragsstrafe versprochen wird. Für eine diesbezügliche Erklärung ist dem Verletzer eine angemessene Frist zu setzen, deren Länge sich nach der Eilbedürftigkeit beurteilt. Regelmäßig dürfte hier ein Zeitraum von einer Woche angemessen sein, der sich jedoch nach Lage des Falles auf Stunden verkürzen kann.
Vertragsstrafe Um die Ernsthaftigkeit seiner Erklärung zu belegen, hat der Verletzer eine angemessene Vertragsstrafe für den Fall eines erneuten Verstoßes zu versprechen. Deren Höhe hängt von einer Vielzahl von Faktoren, wie Art und Umfang des Unternehmens, Gewinn, Gefährlichkeit der Verletzung, etc. ab. Sie richtet sich somit wiederum nach dem Einzelfall, so dass ein Regelwert kaum angegeben werden kann. Üblich bei Domain-Sachen sind Vertragsstrafen zwischen DM € 2.500 und € 10.000. Wird seitens des Verletzers eine Vertragsstrafe gekürzt und dadurch zu niedrig, kann der Verletzte die Erklärung als ungenügend zurückweisen und gerichtliche Hilfe auf Kosten des Verletzers in Anspruch nehmen.
Abmahnungskosten Kernpunkt der weiteren Auseinandersetzung ist meist die Frage, ob, und ggf. in welcher Höhe, der Abgemahnte die Kosten der Abmahnung zu tragen hat. Bei der Kostenerstattungspflicht kommt es dabei nicht darauf an, ob die Rechtsverletzung schuldhaft erfolgte.
Im Rahmen einer „kleinen Verteidigungslinie“ besteht die Möglichkeit, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, um die Gefahr einer einstweiligen Verfügung zu bannen, dann jedoch die Zahlung der Abmahnkosten zu verweigern. Die Kosten einer anwaltlichen Abmahnung sind ausnahmsweise dann nicht zu ersetzen, wenn es sich um eine einfache Sache handelt und die Einschaltung eines Anwaltes von vornherein entbehrlich erscheint.
Ebenfalls können Abmahnungskosten ggf. mit dem Argument verweigert werden, dass die Abmahnung missbräuchlich erfolgte und vorwiegend dazu dient, einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Für den Internetbereich entschieden Gerichte in den Fällen „Webspace“ und „Explorer“, dass das Vorliegen einer Serienabmahnung einen Missbrauch darstellen kann. Schwierigkeiten bereitet gleichwohl die Kenntniserlangung, dass es sich um eine Massenabmahnung handelt. Indizien hierfür sind die Unbekanntheit des Unternehmens in der Branche, dass es sich um einen Bagatellverstoß handelt und die verlangte Vertragsstrafe sowie der angesetzte Streitwert unverhältnismäßig hoch sind. Eine Möglichkeit dieses herauszufinden, besteht beispielsweise über Internetforen wie „freedomforlinks.de„.
Kostenreduktion Liegt keine der vorgenannten Ausschlussfälle für eine Kostenerstattung vor, verbleibt nur noch die Möglichkeit, die Kosten ihrer Höhe nach zurückzuweisen. Begründet werden kann dies damit, dass der Streitwert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren zu hoch angesetzt ist. Für den oben dargestellten Fall einer Abmahnung aus Markenrecht häufig übersehen wird im übrigen der Tatbestand der Streitwertbegünstigung nach § 142 MarkenG. Hiernach ist die Herabsetzung eines Streitwertes dann gerechtfertigt, wenn der volle Streitwert die wirtschaftliche Lage einer Partei erheblich gefährden würde. Während diese Vorschrift in der Auseinandersetzung zwischen Unternehmen regelmäßig nicht trägt, kann sie bei Abmahnungen von nur geringfügig gewerblich Handelnden greifen. Zu empfehlen ist hier, mit dem Bevollmächtigten des Abmahnenden die Frage der Streitwertreduzierung schriftlich zu erörtern. Dieser wird bei schnellem Abschluss der Angelegenheit ggf. zustimmen, da einerseits die Aussicht auf einen aufwendigen Prozess über die vergleichsweise niedrigen Kosten der Abmahngebühren die wirtschaftliche Motivation reduziert, anderseits es eine Wertungsfrage und damit durchaus ein Risiko darstellt, wie hoch der dann in einem gerichtlichen Verfahren festzustellende Streitwert richtigerweise anzusetzen ist.
Schließlich kann es bei unklarer Rechtslage wirtschaftlich sinnvoll sein, eine Unterlassungserklärung ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht abzugeben und gleichzeitig die Verpflichtung zur Kostenübernahme abzulehnen. Dadurch wird das Prozesskostenrisiko bei einem Streit über die Abmahnkosten deutlich geringer.
Kernfrage bleibt jedoch die Anspruchsberechtigung, die in Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes häufig nur von Spezialisten beantwortet werden kann. Fehlt es dagegen offensichtlich an einem Anspruchsgrund oder der Berechtigung wegen missbräuchlicher Abmahnung, steht einer Rechtewahrnehmung durch den Abgemahnten selbst nichts entgegen.
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